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Das Letzte Ritual

Das Letzte Ritual

Titel: Das Letzte Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardottir
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Übersetzungen aus dem Isländischen ins Englische vorzulesen, aber mittendrin verlangte er, dass ich was anderes lesen soll und so weiter.«
    »Kannst du uns Aufsätze oder Themen nennen, für die er sich interessierte?«, fragte Matthias.
    »Hm, ich hab keine komplette Liste oder so. Am Anfang übersetzte ich in erster Linie Kapitel aus einer Doktorarbeit von Ólína þorvarðardóttir über die Zeit der Hexenverbrennungen, dann interessierte er sich für die Schule in Skálholt. Das lag an einem Text über Hexerei von irgendwelchen Schülern und einem Zauberbuch, das damals im Umlauf war. Harald hatte auch einen alten dänischen Brief, wenn ich mich richtig erinnere – es war nicht so leicht, den zu übersetzen, aber ich hab’s versucht. In dem Brief ging es um irgendeinen Boten und etwas mir Unverständliches. Als er den Text bekommen hatte, schlug Harald ganz plötzlich eine andere Richtung ein, beschäftigte sich nicht mehr so sehr mit Hexenverbrennungen, sondern interessierte sich für eine andere Zeit, etwa ein Jahrhundert früher. Ich kann mich dran erinnern, für ihn einen Text aus der Islandbeschreibung des Bischofs von Skálholt Oddur Einarsson, von etwa 1590 übersetzt zu haben. Darin ging es um den Vulkan Hekla. Es gab da eine Geschichte über einen Mann, der den Verstand verlor, nachdem er den Berg bestiegen und in den Krater geschaut hatte. Harald interessierte sich auch brennend für den Ausbruch der Hekla von 1510 und außerdem für den Bischof Jón Arason und seine Exekution im Jahr 1550 und den Bischof Brynjólfur Sveinsson – ja, und auf einmal wollte er alles über die Papar wissen. Man kann sagen, Harald hatte sich zum Zeitpunkt des Mordes historisch noch weiter zurückbewegt – bis in die Zeit vor der eigentlichen Landnahme.«
    Das Aufzählen der Jahreszahlen brachte ans Licht, welch unglaublich gutes Gedächtnis der Junge hatte. Nicht verwunderlich, dass er trotz seines ausschweifenden Nachtlebens ein guter Student ist, dachte Dóra. »Papar?«, fragte sie.
    Halldór nickte. »Ja, Papar. Diese irischen Mönche.«
    »Alles klar«, sagte Dóra, wusste jedoch nicht, was sie als Nächstes fragen sollte. Dann fiel ihr plötzlich der arme Gunnar ein, der sie mit Haralds Freunden in Kontakt gebracht hatte.
    »Dieser alte dänische Brief – hast du eine Ahnung, woher der stammte und was damit passiert ist?«
    Halldór schüttelte den Kopf. »Ich hab keinen blassen Schimmer, wo er den herhatte – er hatte mehrere alte Briefe, die er damit verglich. Die anderen Briefe waren in einer Ledermappe – der dänische aber nicht. Er ist bestimmt hier irgendwo.«
    »Sagt dir der Name Mal etwas?«, fragte Matthias aus heiterem Himmel.
    Halldór schaute die beiden an und schüttelte den Kopf. »Nee, nie gehört. Wieso?«
    »Schon gut«, entgegnete Matthias.
    Halldór wollte gerade etwas sagen, als sein Handy klingelte. Er nahm es in die Hand, schaute auf das Display, verzog das Gesicht und steckte es wieder in seine Tasche.
    »Mama?«, fragte Matthias und grinste Halldór an.
    »Genau«, antwortete er verbittert.
    Ein Piepsen aus seiner Hosentasche verkündete den Empfang einer SMS. Halldór machte keine Anzeichen, das Handy hervorzuholen, daher stellte Dóra eine weitere Frage. »Weißt du etwas über ein Gästebuch, das Harald besaß: Gästebuch des Kreuzes?«
    Halldór schaute sie verständnislos an. »Gästebuch des Kreuzes? Meinst du die Glaubensgemeinschaft?«
    »Hat er das nie erwähnt?«, fragte sie.
    »Nein.«
    Matthias faltete die Hände. »Erzähl uns von dem Raben, hinter dem Harald her war.«
    Halldórs Adamsapfel hüpfte auf und ab. »Ein Rabe?« Seine Stimme überschlug sich fast.
    »Ja, ein Vogel. Ein Kolkrabe«, warf Dóra ein. »Wir wissen, dass er unbedingt einen Raben wollte. Weißt du, warum?«
    Halldór zuckte die Achseln. »Nein. Ich kann aber gut verstehen, dass er einen haben wollte. Ein bemerkenswerter Vogel.«
    Dóra war davon überzeugt, dass er log, wusste aber nicht, wie sie am besten darauf reagieren sollte. Bevor sie einen Entschluss fassen konnte, übernahm Matthias das Wort. »Weißt du etwas über Haralds Reise nach Hólmavík zum Hexereimuseum von Strandir?«
    »Nee«, antwortete Halldór. Er log schon wieder.
    »Und in den Osten zum Hótel Rangá?«, fragte Dóra.
    »Nee.« Noch eine Lüge.
    Matthias warf Dóra einen Blick zu. »Vielleicht sollten wir eine kleine Reise unternehmen.« Halldór machte einen Gesichtsausdruck, als gefielen ihm diese Reisepläne gar

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