Das letzte Sakrament
offiziellen Erklärung zweifelte, dass Vikar Kunen für alle Morde verantwortlich war.
»Wenn Wismut noch gelebt hätte, als ich zu ihm kam, hätte er mir vielleicht eine andere Version der Geschichte erzählt als diejenige, die wir aus den Medien kennen.«
»Und wie sollte die lauten?«, fragte Deckert und biss in einen der mehrstöckigen Hamburger auf seinem Tablett.
»Als Erstes hätte Wismut mir erzählt, dass Roland Obrist ihm auf die Spur gekommen war und wusste, dass er die Proben gekauft hatte um Jesus daraus zu klonen.«
»Was ihm auch gelungen ist«, warf Tamara ein.
»Vermeintlich große Wissenschaftler sind manchmal einfach nur große Schwindler«, sagte Pandera. »Und Jesuiten sind eigentlich Agenten.«
Die beiden Kollegen sahen ihn verständnislos an. »Wie meinst du das?«, fragte Deckert mit vollem Mund.
»Roland Obrist hatte den Verdacht, dass Wismut mit falschen Karten spielt. Er verschaffte sich Zugang zu dessen Labor, stahl einige Unterlagen und …«
»… wurde erwischt«, sagte Tamara.
»Sagen wir so, Wismut hat ihn enttarnt, folgte ihm in dessen Labor, nahm die gestohlenen Unterlagen wieder an sich und ermordete Obrist.«
»Und als er Angst hatte, das Leuenberger plappern würde, musste auch der sterben«, kombinierte Tamara.
»Genau, mithilfe einer Überdosis Kokain«, erklärte Pandera. »Nach unserem Besuch in Bern hatte Leuenberger Wismut angerufen und ihm davon erzählt. Wismut flog noch am selben Tag von Rom in die Schweiz, ermordete Leuenberger und flog am nächsten Morgen wieder nach Rom zurück.«
»So weit, so gut«, sagte Tamara. »Aber weswegen hat er die beiden überhaupt umgebracht? Das macht doch nur Sinn, wenn er vertuschen wollte, dass der Jesusklon nicht echt ist.«
»Bingo.« Pandera nickte. »Professor Wismut war ein Fanatiker. Er wollte die Kirche zerstören.«
»Und deswegen hat er einen Jesusklon geschaffen?«, fragte Deckert. »Das ist doch absurd!«
»Warum? Er wollte den Menschen zeigen, dass ihr Glaube nur auf Betrug beruht.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Deckert, nahm den nächsten Hamburger vom Tablett und biss hinein.
»Wismut wollte den alten Glauben vernichten und mit dem Jesusklon einen neuen schaffen. Sobald der neue Glaube sich durchgesetzt hatte, wollte er auch diesen zerstören.«
»Jetzt komme ich gar nicht mehr mit«, sagte Deckert. »Wie wollte er den denn zerstören?«
»Er wollte beweisen, dass er gar nicht Jesus geklont hat, sondern den Sohn eines islamischen Selbstmordattentäters«, fuhr Pandera fort. »Wenn der Jesusklon erst erwachsen war, sollte er seine Herkunft offenbaren. Er sollte den Gläubigen erzählen, dass es keinen Gott gibt und dass nur die Menschen selbst das Schicksal der Erde bestimmen.«
»Und dann hätten alle erkennen müssen, dass sie einem Betrug aufgesessen sind.« Tamara nickte. »Und sie würden gezwungen sein, ihren Glauben zu hinterfragen.«
»Moment, Moment«, warf Deckert ein. »Ich hab nie geglaubt, dass er Jesus wirklich geklont hat. So weit kann ich dir folgen. Aber ich habe ein paar Fragen. Erstens: Warum hat er die Proben der Grabtücher überhaupt gekauft, wenn er Jesus ohnehin nicht klonen wollte?«
»Weil …«
»Ich bin noch nicht fertig. Zweitens, warum klont er dann ausgerechnet den Sohn eines Selbstmordattentäters? Und drittens: Wo bleibt dein Portemonnaie? Ich hab Hunger.«
Pandera zeigte auf das Tablett, auf dem noch ein Hamburger lag. »Was ist mit dem?«
»Der ist für den langen Weg zur Kasse.«
Deckert schnappte sich das Portemonnaie und ging zur Theke. Als er zurückkam, war das Tablett nur halb voll.
»Was ist los, ist dein Hunger nach Erkenntnis größer als nach Buletten?«, fragte Pandera.
»Quatsch«, antwortete Deckert. »Die sind überfordert und bringen den Rest noch. Also, ich bin ganz Ohr.«
»Wismut wollte ursprünglich tatsächlich Jesus klonen, er musste dann aber feststellen, dass es mit der DNA, die er auf den Tüchern fand, unmöglich war. Sie war zu alt, verunreinigt und unvollständig.«
»Und warum hat er dann ausgerechnet den Sohn eines Selbstmordattentäters geklont?«
»Die DNA auf den Tüchern ist zwar unvollständig, sie weist aber bestimmte Charakteristika auf. Wismut benötigte jemanden aus demselben Genpool, um behaupten zu können, dass er einen Klon daraus erschaffen habe.«
»Deshalb stammt der Junge aus dem Mittelmeerraum?«
»Genau. Auf diese Weise konnte Wismut zwar nicht beweisen, dass er Jesus geklont hatte, aber es kann ihm auch
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