Das letzte Sakrament
niemand das Gegenteil nachweisen.«
»So funktioniert Glauben.« Tamara lächelte. »Behaupte irgendetwas, das sich nicht widerlegen lässt, und du brauchst keine Beweise. Die Existenz Gottes wurde auch noch nie bewiesen. Die katholische Kirche ist über zweitausend Jahre durchgekommen mit dem Trick.«
»Ihr Agnostiker seht das vielleicht so«, widersprach Deckert. »Ich bin da anderer Meinung. Nur zum Spaß: Nehmen wir mal an, das stimmt alles. Wie hat er dann die Wissenschaftler überzeugt, dass er Jesus geklont hat?«
»Er hat den Wissenschaftlern eine DNA-Probe zur Verfügung gestellt, die er angeblich von den Grabtüchern entnommen hatte, und eine des geklonten Jesus. Die der Grabtücher hat er vorher mit der des ermordeten Sohns des Selbstmordattentäters versetzt. Aus dessen DNA hat er seinen Klon hergestellt und das lückenlos dokumentiert.«
»Du meinst also, die Wissenschaftler und die Medien waren so geblendet davon, dass der erste Mensch geklont worden ist, dass sie die Ursprungsprobe gar nicht mehr hinterfragt haben?« Tamara nahm sich einen Hamburger und biss hinein. Deckert konnte gar nicht so schnell protestieren.
»Sie konnten die Proben nicht überprüfen, weil die katholische Kirche die Grabtücher unter Verschluss hält«, erklärte Pandera. »Sie hatten nur Wismuts gefälschte Proben. Vielleicht hätte die Kirche nach Jahren der Diskussion einer Untersuchung zugestimmt, aber wer hätte ihr dann noch geglaubt? Wie gesagt, sie hätten niemals beweisen können, dass Wismut seine Ergebnisse gefälscht hat. Zudem kann eine Probe von einer anderen Stelle des Grabtuchs auch eine andere DNA tragen.«
»Gut, er musste jemanden aus dem Mittelmeerraum nehmen, aber warum ausgerechnet den Sohn eines islamischen Selbstmordattentäters?«, fragte Tamara.
Diese Frage hatte Pandera sich auch gestellt, während Wismut ihm alles gebeichtet hatte. »An dem Abend, an dem Wismut erkannt hatte, dass er von den Grabtüchern Jesu keine DNA würde rekonstruieren können, versuchte ein Selbstmordattentäter, die amerikanische Botschaft in Jerusalem in die Luft zu sprengen. Der Attentäter war so grausam gewesen, seinen Sprengsatz zur Tarnung in einem Kinderwagen zu deponieren. In dem sein eigener Sohn lag.«
Pandera blickte in den dunklen Nachmittagshimmel, der aussah, als würde die Welt bald untergehen. Genau wie auf dem Schiff. Die ersten Regentropfen fielen. Pandera dachte noch einmal an Wismuts letzte Worte. Er hatte dessen Angaben überprüft, das Attentat war genau so geschehen, wie der Professor es geschildert hatte. Die palästinensische Familie des Selbstmordattentäters war vor zwei Jahren nach Marokko ausgewandert. Wismut hatte das arrangiert, weil er den Jesusklon dort besser schützen und seine Herkunft so weiter verschleiern konnte. »Zehn Unschuldige sind dabei gestorben«, erklärte Pandera. »Darunter der Sohn des Attentäters.«
Deckert legte seinen angebissenen Hamburger zurück auf das Tablett. »Das ist ganz schön hart, was du uns hier erzählst.«
»Einen Jungen zu klonen und als Jesus auszugeben, der von einem militanten Islamisten abstammt, war für einen Atheisten wie Wismut die größtmögliche Provokation«, fuhr Pandera fort. »Außerdem wollte er so einem unschuldigen Opfer des Glaubenskrieges das Leben zurückgeben.«
»Wenn auch nur als Klon«, sagte Tamara.
»Wenn auch nur als Klon«, wiederholte Pandera. »Aber die Herkunft des Jungen war Wismuts Rückversicherung, dass der Jesusklon später erkennen würde, dass er nicht der Auserwählte war. Wismut wollte ihm zu gegebener Zeit die Augen öffnen und ihn damit zu einem Mitstreiter gegen den Fanatismus des Glaubens machen – jedes Glaubens, wohlgemerkt.«
Es donnerte, und innerhalb weniger Sekunden wurde aus dem leichten Regen ein Wolkenbruch. »Mierda!«, rief Pandera. »Gestern habe ich das Hardtop vom Cabrio abgenommen …« Er stürmte aus dem Drive-in.
Als er am Cabrio ankam, waren die Sitze nass wie ein Fisch im Wasser. Er fuhr sein Cabrio in ein nahe gelegenes Parkhaus und lief zurück zum Drive-in.
Deckert schleckte inzwischen ein Eis. Das kleinste natürlich. »Dein Geldbeutel war nicht verfügbar, also musste ich selbst ran«, sagte er. »Das heißt, du hast wieder mal nicht bezahlt, bis ich satt war, also musst du die Wette ein anderes Mal einlösen.« Er strahlte, als habe er gerade die Glühbirne erfunden. Wahrscheinlich fühlte er sich auch so.
Pandera strahlte mit. Die Situation erinnerte ihn an das
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