Das letzte Sakrament
verängstigt, aber unversehrt. Der Vikar war in seinem Wahn so verblendet gewesen, dass er nicht gesehen hatte, dass in dem Bettchen nur eine Puppe lag. Wismut hatte den Vikar von dem Bettchen ferngehalten und sie so vor den Blicken des Geistlichen geschützt.
Kunen war in dem Glauben gestorben, der Jesusklon sei tot. Doch glauben ist nicht wissen.
Pandera hatte es begriffen, als der Wind die Bettdecke davongeweht hatte. Es war eine Puppe mit fast perfektem menschlichem Antlitz, aus zwei Metern nicht von einem echten Kind zu unterscheiden. Und doch nur eine Puppe. Genau wie der Klon. Nur eine Kopie, wenn auch nicht aus Fleisch und Blut.
Pandera schaltete den Bordfernseher an. Gleich würde die Sendung wiederholt, die dieser Simovic gestern vom Oberdeck der Atlantis aus gesendet hatte. Pandera erwartete nichts. Für ihn waren diese Revolverblattreporter alle gleich. Ob sie nun beim Fernsehen arbeiteten oder mit Papier und Druckerschwärze. Einer hatte sich gestern erdreistet zu schreiben, der Jesusklon hätte nicht in den Fluten sterben müssen. Wäre er echt gewesen, hätte er doch über das Wasser laufen können. Es war geschmacklos. Und falsch.
Denn der Junge lebte.
Die Sendung begann. Nach ein paar einleitenden Worten startete Simovic den Film, den er in der Nacht aufgenommen hatte. Pandera konnte kaum hinschauen, als man sah, wie Simon Kunen den Professor ermordete und wie der Jesusklon in den Fluten des Mittelmeers unterging. Und mit ihm die Hoffnung, dass sich etwas ändern könnte.
Anschließend hielt Simovic einen Monolog, der wirkte, als würde er für die Anzahl der Worte bezahlt. Und für seine Polemik. Es war eine einzige Anklage gegen die katholische Kirche.
Pandera war schon drauf und dran abzuschalten, als der Reporter plötzlich behauptete, Vikar Kunen habe auch Roland Obrist und Walter Leuenberger ermordet. Selbst Bischof Johann Obrist, den Reporter in Basel vor die Kamera gezerrt hatten, unterstützte diese Theorie. Mit Tränen in den Augen distanzierte Obrist sich von seinem Stellvertreter und erzählte, wie er die Polizei über Kunen informiert habe. Der Vikar sei ein Fehlgeleiteter, der dem Teufel anheimgefallen sei.
Pandera wunderte sich, das jetzt schon Reporter und Bischöfe glaubten, Mordfälle aufklären zu können. Doch als Kriminalpolizeichef Edeling in Basel vor die Kamera trat, verwandelte sich sein Erstaunen in Entsetzen.
Edeling verkündete, dass man die Ermittlungen zu den beiden Mordfällen in der Schweiz als abgeschlossen betrachten könne. Im Übrigen arbeite man mit dem Basler Bistum in dieser Sache vertrauensvoll zusammen. Alle Fakten sprächen dafür, dass Vikar Kunen ein Einzeltäter gewesen sei. Kunen sei der Mörder von Roland Obrist und Walter Leuenberger. Edeling vergaß auch nicht zu erwähnen, dass sein Mitarbeiter, Kommissar Alex Pandera, vor Ort alles aufgeklärt und den Mörder zur Strecke gebracht habe.
Hättest besser mal mit mir gesprochen , dachte Pandera. Doch dann grinste er.
Als Simovic ihn dann noch zum Helden des Tages kürte und Pandera sein eigenes Gesicht im Bordfernseher sah, schaltete er ab.
Das war jetzt alles unwichtig. Der Mörder war tot, daran bestand kein Zweifel. Der Junge hingegen lebte, und er war, genau wie Wismut gesagt hatte, der einzige Unschuldige.
Außer Kabinensteward Arnold natürlich.
»Wir können los«, flüsterte dieser, kaum dass er an die Tür geklopft hatte.
Zu dritt gingen sie den Gang entlang, quer durch ein paar Mannschaftsräume und erreichten schließlich die Landungsbrücke für das Personal. Arnold nickte den beiden Wachhabenden zu. Sie ließen Pandera und den Jungen ohne Kontrolle passieren.
»Das hätte Arnold Schwarzenegger nicht besser gekonnt.« Pandera klopfte dem Steward auf die Schulter.
»Ich gerne helfe gute Mensche«, sagte Arnold und lächelte. »Die beide glaube, du seie Vater von der Kleine und hole Mutter nach Europa.«
Stimmt ja auch fast, nur umgekehrt , dachte Pandera und bedankte sich noch einmal bei Arnold. Er freute sich darauf, ihn heute Abend wiederzusehen.
Pandera ging am Quai entlang und setzte sich in ein Taxi. Als er die Adresse nannte, schaute der Taxifahrer ihn ungläubig an. Doch dann sah er den Jungen und verstand.
Casablanca wirkte genauso wie jede andere arabische Metropole: enge Straßen, auf denen zu viele Autos unterwegs waren, sodass sich immer wieder ein neuer Stau bildete. Das ganze Leben fand auf der Straße statt. Dagegen herrschte in Rom die reinste Ordnung. Doch
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