Das letzte Sakrament
das Garagentor und ging durch die Feuerschutztür in die Wohnung. Sofort kam Skater auf ihn zu. Pandera beugte sich hinunter und streichelte ihn am Hals. »Was ist denn los? Du kümmerst dich doch sonst nicht darum, wenn ich heimkomme?« Lächelnd öffnete er die Wohnzimmertür.
Sein Lächeln gefror schon im nächsten Augenblick.
Nein, es lag nicht daran, dass Jackies Eltern mit riesengroßen Koffern mitten im Wohnzimmer standen. Es lag auch nicht daran, dass Lara und Ben ein klobiges Paket auspackten, dessen Inhalt aussah wie dieser Spielzeugroboter, vor dem er immer gewarnt hatte.
Nein, es waren die Locken, die wunderschönen Locken seiner Frau. Sie waren verschwunden, einfach verschwunden ins Nirwana namens Coiffeur-Salon.
»Wie gefällt dir meine neue Frisur?«, hörte er Jackie fragen.
Er wusste, dass es jetzt, wie bei einem Verhör, darauf ankam, das Richtige zu sagen, nicht das Wahre. Doch er blickte sie nur entgeistert an. »Deine Locken …«, stammelte er.
»… sind ab«, vervollständigte sie. »Nach fünf Jahren war mal Zeit für eine neue Frisur.«
»Ihm gefällt es nicht«, hörte er Jackies Mutter aus dem Hintergrund. Als ehemalige Lehrerin tadelte Hilde Remady immer noch gerne, mit Vorliebe ihren Schwiegersohn. Sie hatte gut reden! Sie trug ihre Locken noch, wenngleich sie grau und kurz waren und wie einbetoniert aussahen. Dann lieber gar keine Locken , dachte Pandera. Was sollte er jetzt sagen? Am besten gar nichts. Doch er ahnte, dass er nicht so leicht davonkommen würde.
»Es ist eine schöne Sommerfrisur«, versuchte Jackie zu erklären, was nicht zu erklären war. »Schau doch nur, ein eleganter Pagenschnitt, wie in den Zwanzigern.«
Er sah genauer hin. Ihre Haare waren auf Kinnlänge gekürzt und außerdem schwarz gefärbt. Glänzend und doch irgendwie kalt.
»Es sieht sexy aus«, murmelte er und staunte über sich selbst. Die Urinstinkte funktionieren noch.
Jackie lächelte verlegen und wechselte das Thema. »Schau, wer uns besuchen kommt.« Sie zeigte auf ihre Eltern, die immer noch mitten zwischen ihren Koffern standen.
»Schön, dass ihr da seid«, sagte Pandera und lächelte wie einstudiert. »Was darf ich euch zu trinken anbieten?« Die Bar ist immer ein guter Fluchtpunkt. In den nächsten Tagen werde ich mich wohl häufiger dort aufhalten.
»Ich hätte gerne einen Single Malt«, antwortete Urs Remady und strich sich mit dem Finger über den akkurat geschnittenen weißen Schnurrbart.
»Sie bleiben bei uns, bis sie eine Wohnung in Basel gefunden haben«, erklärte Jackie. »Sie haben diese Woche ein paar Besichtigungstermine, daher haben wir kurzfristig beschlossen …«
»Kein Problem.« Pandera nickte und warf einen Blick in die Bar. Er fand nur verschiedene Bourbon-Sorten und einen Canadian Whisky. Das war ein Problem. »Darf es auch ein Crown Royal sein?«, fragte er vorsichtig. »Der Whisky wurde anlässlich eines Besuchs des englischen Königspaars in Kanada gebraut, ein milder und doch …«
»Von mir aus, aber nur mit Eis.« Urs Remady seufzte. Ihm war anzumerken, dass dieser Besuch nicht seine Idee gewesen war. Kein Wunder, ihr Verhältnis war eher kühl und distanziert. Urs Remady war gut doppelt so alt wie Alex Pandera, stolze siebzig. Und der Alte machte keinen Hehl daraus, dass er sich auch mehr als doppelt so erfahren fühlte wie sein Schwiegersohn.
»Ich habe eine neue Kollegin«, begann Pandera zu erzählen, während er den Whisky eingoss. Sie würden ihn sowieso gleich nach seinem Job fragen, da fing er besser selbst damit an.
»Und wie ist sie?«, fragte Jackie. »Nett? Sieht sie gut aus?«
»Ich weiß nicht«, sagte Pandera und reichte seinem Schwiegervater das Glas. »Sie hätte heute beinahe unseren Chef angegriffen.«
»Sie hätte was ?«, fragte Jackie. »Sag mal, sind die alle so drauf?« Sie sah zu ihren Eltern. »Sein Kollege ist letzte Woche entlassen worden, weil er den Chef k.o. geschlagen hat.«
Urs Remady schüttelte den Kopf, seine Frau zog die Brauen hoch. Ihr Schweigen war eine mehr als deutliche Reaktion.
»Gehst du eigentlich immer unrasiert zur Arbeit?«, fragte sein Schwiegervater schließlich und setzte sich auf die Couch.
Ist das alles, was dich interessiert? , dachte Pandera und fuhr sich über den Dreitagebart. »Ist viel los momentan. Der Bruder des Basler Bischofs ist ermordet worden.«
Hättest eben etwas Vernünftiges lernen sollen , erwartete Pandera als Antwort, doch sie blieb aus.
»Harte Zeiten, oder?«, sagte der
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