Das letzte Sakrament
Ansammlung von Betonklötzen, die darum zu konkurrieren schienen, wer der hässlichste war.
Sie parkten den Wagen und gingen in einen der Betonklötze, in dem das zentrale Krankenhauslabor untergebracht war. Alles dort erinnerte an SEQUENZA 46, die Räume waren vollgestopft mit Analysegeräten, Kühlschränken und Probengefäßen. Es roch wie nach einem Frühjahrsputz.
Ein mittelgroßer Mann mit kurzen braunen Haaren kam auf sie zu. Er trug einen Laborkittel und eine Schutzbrille aus Plexiglas, die er zur Begrüßung absetzte. »Mein Name ist Leuenberger. Sie möchten mich sprechen?«
Die Kommissare nickten und stellten sich vor.
»Ich habe das nicht richtig verstanden«, sagte Leuenberger, während er die beiden durch die Räume zu seinem Büro führte. »Weswegen sind Sie nach Bern gekommen?«
Pandera ging auf Leuenbergers Frage nicht ein. »Was untersuchen Sie hier eigentlich?«
»Alles, was im Spital an Labordiagnostik anfällt«, antwortete Leuenberger. »Vor allem natürlich Blut-und Urinuntersuchungen, dazu Gewebeproben.«
»Vergeben Sie auch Aufträge an andere Institute oder Firmen?«
»Nein, wir sind bestens ausgestattet: Chemolumineszenz, Gensequenzierung, RNA-Analysen, alles unter einem Dach.« Leuenberger zeigte auf die großen Analyseautomaten, die unermüdlich ratterten.
»Nehmen Sie auch Proben von außen an?«
»Nein. Wir arbeiten nur im Auftrag des Spitals.«
»Und Ihre Untersuchungen sind alle medizinischer Natur?«
»Ja«, antwortete Leuenberger. »Alles, was die In-vitro-Diagnostik hergibt.«
»In vitro?« , fragte Pandera nach.
»Das heißt im Glas «, erklärte Leuenberger. »Wir diagnostizieren hier im Labor nicht am Menschen selbst, das wäre in-vivo , sondern in einer kontrollierten künstlichen Umgebung außerhalb des Organismus.« Er nahm ein Proberöhrchen aus einem der Geräte. Es sah aus wie ein geschrumpftes Reagenzglas und war nicht größer als ein Fingerglied. »In diesem Gefäß befindet sich das Blut eines Patienten. Mit einer einzigen Messung können wir bis zu dreißig Parameter bestimmen.«
»Machen Sie auch Kohlenstoffdatierungen?«, fragte Tamara, die sich bisher im Hintergrund gehalten hatte.
Leuenberger sah die Kommissarin verdutzt an. »Nein, das ist nicht unser Fachgebiet.«
»Und wie sieht es aus mit forensischen Untersuchungen?«, fragte sie weiter. »Blut auf einer Stoffprobe zum Beispiel?«
Leuenberger blieb vor seiner Bürotür stehen und räusperte sich. »Führen wir hier gerade ein Beratungsgespräch, oder was soll das Ganze?«
»Würden Sie die Frage bitte beantworten?« Pandera lächelte so freundlich, wie es seine Bemerkung zuließ.
»Nein, das machen wir nicht«, sagte Leuenberger. »Sie arbeiten doch sicher mit einem gerichtsmedizinischen Institut zusammen, oder?«
»Das tun wir«, antwortete Pandera.
»Handeln Sie auch mit Proben?«, fragte Tamara dazwischen.
»Nein«, antwortete Leuenberger spitz. »Das ist untersagt.«
»Und Sie kaufen auch keine Proben?«
»Was würde das für einen Sinn machen?«, fragte er. »Wir sind schließlich ein Krankenhaus.«
»Und privat?« Pandera wartete gespannt, wie Leuenberger reagieren würde.
»Was heißt privat ?« Leuenberger schüttelte entrüstet den Kopf. »Glauben Sie, ich sammle Blutproben, oder was?«
»Nur um das noch mal klarzustellen: Sie kaufen und verkaufen keinerlei Probenmaterial?«, fragte Pandera.
»Richtig.«
»Und früher?«, fragte Tamara.
»Auch nicht!«, antwortete Leuenberger sichtlich genervt. »Wenn das ein Verhör sein soll, würde ich jetzt gerne mit meinem Anwalt sprechen.«
»Das ist nicht nötig«, sagte Pandera. »Wir sind schon fertig.«
Leuenberger blickte ihn verständnislos an. Tamara auch.
»War das alles?«, fragte Leuenberger.
»Ja«, sagte Pandera und machte eine Pause. »Außer, wir finden Anhaltspunkte, dass Sie nicht die Wahrheit gesagt haben. Dann könnte es ziemlich ungemütlich für Sie werden.« Er lächelte. »Aber Sie haben ja nichts zu befürchten, oder?«
Leuenberger schüttelte wie benommen den Kopf. Die Kommissare verabschiedeten sich und ließen ihn stehen.
»Was war das denn?«, fragte Tamara, als sie das Gebäude verließen.
»Wenn ich ihm von unserem Verdacht erzählt hätte, was würde er dann tun?«
»Die Beweise vernichten?«
»Eben«, sagte Pandera. »Der Mann lügt wie ein Revolverblatt. Wir müssen sein Labor auf den Kopf stellen. Und dazu brauchen wir die Berner Kollegen und den Staatsanwalt. Und zwar möglichst
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