Das letzte Sakrament
hatte.
Zuversichtlich startete er eine neue Suche, dieses Mal auf den entsprechenden britischen Seiten. Doch obwohl er seine Daten zweimal überprüfte, fand er keine Übereinstimmung zwischen den Mitarbeitern von Oxford Trulab und den Absolventen der Campion Hall.
Schließlich googelte er einzeln die Namen der Mitglieder der Trulab- Geschäftsführung, doch er fand keine Hinweise, dass sie mit den Jesuiten in Verbindung standen. Das einzig Bemerkenswerte schien ihm, dass der Vorstandsvorsitzende Max Eber gebürtiger Deutscher war. Kurzentschlossen nahm Pandera sein Diensthandy und wählte die Nummer der Trulab- Zentrale.
Eine Frau meldete sich.
»Hello, here is Simon Kunen speaking«, sagte er. »I’m the vicar-general of the diocese of Bâle and I would like to speak to Mr. Eber.«
Er hörte eine paar Sekunden lang Warteschleifenmusik und dann eine männliche Stimme. »Hallo, Simon, was kann ich für dich tun?«
Pandera erschrak. »Hallo, Max«, antwortete er vorsichtig. Kunen hatte eine höhere Stimme als er, und er sprach mit Basler Akzent, doch er hoffte, Eber würde das nicht auffallen. »Hast du von Rolands Tod gehört?«
»Wir haben doch schon darüber gesprochen«, antwortete Eber. Plötzlich hielt er inne. Ein paar Sekunden herrschte Schweigen in der Leitung, dann kam nur noch ein Tuten.
Pandera schaltete sein Handy aus. Die Jesuiten waren besser organisiert, als er gedacht hatte. Und sie wussten weit mehr, als sie ihm bisher erzählt hatten.
22
Nur vierundzwanzig Stunden später war Pandera ein paar Illusionen ärmer. Er hatte sich überlegt, die Bistumsleitung vorerst nicht erneut zu befragen, sondern sie observieren zu lassen. Doch der Oberstaatsanwalt hatte sich geweigert, zu unkonkret sei Panderas Verdacht und die Angelegenheit viel zu heikel.
Doch auch außerhalb von Basel mahlten die Bürokratiemühlen mal wieder unendlich langsam. Erst gegen Nachmittag fanden Pandera und Tamara mithilfe der Kollegen von Interpol heraus, dass weder Eber noch Warner vorbestraft waren, die beiden hatten bisher noch nie etwas mit der Polizei zu tun gehabt. Wahrscheinlich waren die Laborleiter nur Gehilfen des Vatikans, damit die Proben des Grabtuchs geschützt wurden. Und Roland Obrist war diese Aufgabe zum Verhängnis geworden.
Während Tamara ein Kaffee holen ging, nahm Pandera sich die Tatortakten vor, die er bisher nur überflogen hatte. Er blieb bei einem Foto hängen, das Deckert vom Tatort mitgenommen hatte. Darauf war Roland Obrist abgebildet. Er stand vor seinem Arbeitsplatz, im Hintergrund sah man einen Monitor, darüber ein Regal mit mehreren Ordnern und Büchern. Rechts waren ein paar bunte Luftballons zu erkennen und ein Blatt mit der Zahl 60 , links auf dem Schreibtisch standen eine Flasche Champagner und mehrere Sektgläser. Das Foto war offensichtlich auf Obrists letztem Geburtstag aufgenommen worden.
Irgendetwas stimmte nicht mit dem Bild. Nur was? Pandera legte es zur Seite und blätterte weiter zu den Tatortfotos. Er fand eines, auf der Obrists Arbeitsplatz aus ähnlicher Perspektive zu sehen war. Er betrachtete es genau, dann sah er wieder auf das Geburtstagsbild und schließlich wieder auf das Tatortfoto. Und dann merkte er, was nicht stimmte.
Auf dem Tatortfoto fehlten drei Ordner, die bei Roland Obrists Geburtstag noch im Regal gestanden hatten. Auf allen drei Ordnerrücken stand nur ein einziges Wort: Sacramentum!
Er rief Deckert an, doch der sagte, die Ordner befänden sich nicht in der Asservatenkammer. Weder im Labor noch in Obrists Wohnung hätten die Kriminaltechniker sie gefunden. Hatte der Täter sie mitgenommen?
Bevor Pandera darüber nachdenken konnte, stand Edeling in der Tür. Er sah so blass aus wie eine Leiche. Aber er kochte vor Wut. »Ich hatte doch beim letzten Mitarbeitermeeting ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Tempoübertretungen ohne Blaulicht in Zukunft nicht mehr toleriert werden!«, schrie er. »Sie zahlen fünfhundert Franken in die Teamkasse!«
Bevor Pandera widersprechen konnte, warf Edeling ein Foto auf den Schreibtisch. »Können Sie mir das erklären?«
Pandera blickte auf das Bild. Mierda! Es zeigte ihn und Tamara auf der Fahrt nach Bern. Pandera saß auf dem Fahrersitz, hatte die Hände aber nicht an Lenkrad, sondern hielt eine Stoffpuppe. Tamara saß neben ihm, die Hand am Steuer. Wenigstens konnte man auf dem Bild das Gesicht der Puppe nicht erkennen, dafür war es zu klein.
»Das war auf der Fahrt zu Leuenberger nach Bern …«, begann
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