Das letzte Sakrament
jemanden mit tiefer Brummbärstimme rufen. Er atmete erleichtert auf. Diese Stimme kannte er nur zu gut.
»Ich bin’s.«
Die Hoteltür öffnete sich.
»Mensch, Alex!« Der Alte umarmte ihn und drückte ihn an sich.
Pandera spürte, wie Tränen sich in seine Augen stahlen. Sofort kniff er sie zusammen. Sander klopfte ihm auf die Schulter, trat einen Schritt zurück und betrachtete den Kollegen. »Was ist denn mit dir passiert?« Er zeigte auf die schwarze Militärhose, das blutige Hemd, die Beule am Kopf und die blauen Flecken.
»Ein paar Jungs in einem schwarzen Benz haben mich vorübergehend aus dem Verkehr gezogen«, antwortete Pandera und zuckte mit den Schultern. »Bist du allein?«
»Gabriele schläft nebenan«, flüsterte Sander. »Die Kerle in dem Benz habe ich übrigens auch schon kennengelernt.«
»Wie bitte?«
»Aber mich haben sie natürlich nicht bekommen.« Sander grinste. »Ich bin ja kein Anfänger.«
»Gut, dass wir das geklärt haben.« Pandera musste schmunzeln. Doch sogleich wurde er wieder ernst. »Was hast du herausgefunden?«
»Wismut ist verschwunden, seine Wohnung stand leer.« Er gab Pandera den Katalog mit den Kreuzfahrtreisen. »Das ist alles, was ich habe.«
Verdutzt blickte Pandera auf den Prospekt. »Ich glaube nicht, dass der Mann Urlaub macht.« Er legte ihn zur Seite, ohne ihn sich näher anzuschauen.
»Das habe ich anfangs auch gedacht«, entgegnete Sander. »Aber dann hab ich herausgefunden, dass eine Kreuzfahrt die unauffälligste Art des Reisens ist.«
»Unauffällig? Diese riesigen Tanker? Wie kommst du denn darauf?«
»Warst du schon mal auf so einem Schiff?«, fragte Sander.
»Bin ich hundert?«
»Noch nicht ganz.« Sander grinste wieder. »Also hör zu«, begann er. »Bei Schiffsreisen gibt es kein Flugticket, keine Terrorismus-Datenbanken, keine Vorabüberprüfung der Reisenden, du brauchst nicht einmal eine Hotelübernachtung.«
Pandera nickte nur.
»Außerdem sind die Sicherheitsvorkehrungen bei Weitem nicht so streng wie bei einem Flug. Bist du erst einmal an Bord, kannst du in fast jedem Land, in dem das Schiff ankert, kommen und gehen, wie es dir gefällt. Wenn du willst, verschwindest du einfach, und niemand kann etwas dagegen tun.«
»Aber meine Daten sind doch registriert?«
»Klar«, antwortete Sander. »Aber wie willst du jemanden finden, der nicht wieder an Bord kommt? Auf dem Schiff bist du quasi anonym. Oft sind mehr als tausend Gäste an Bord, da weiß niemand, wie der andere heißt.«
»Du glaubst also, Wismut macht eine Kreuzfahrt?«
Sander nickte. »Fragt sich nur, welche.«
Pandera dachte nach. So unwahrscheinlich diese Lösung zunächst geklungen hatte, so plausibel erschien sie ihm jetzt. Außerdem gab es immer noch diesen Fluglotsenstreik. »Welcher Kreuzfahrthafen liegt am nächsten bei Rom?«
»Civitavecchia«, antwortete Sander wie aus der Pistole geschossen. »Das ist quasi der Hafen von Rom, nur siebzig Kilometer von der Hauptstadt entfernt, bequem mit dem Zug zu erreichen.«
»Wie viele Kreuzfahrtschiffe legen dort täglich an und ab?«
»Wenn man die kleinen mitzählt, knapp ein Dutzend.«
»Und wie sollen wir da das richtige finden?«, fragte Pandera. »Wismut wird kaum unter seinem richtigen Namen reisen.«
»Das denke ich auch«, sagte Sander. »Aber ich bin ja kein Greenhorn. Mir ist nämlich an dem Ding hier etwas aufgefallen.« Sander zeigte auf den Katalog.
Pandera nahm ihn wieder in die Hand und blätterte darin. »Und was ist dir aufgefallen?«
»Du hast nichts bemerkt, oder?« Sander zog die Augenbrauen hoch.
»Nein«, brummelte Pandera. »Jetzt sag schon!«
»Wismut war so schlau, im Katalog nichts zu markieren oder anzustreichen. Aber er hat ein paar Seiten an der oberen Ecke mit einem Post-it beklebt. Die hat er natürlich später weggenommen, aber die Reste des Klebstoffs kann man nachweisen. In dem Fall kann man sie sogar spüren.«
Sander zeigte auf eine der Ecken, und Pandera fuhr mit den Fingern darüber. Er nickte. »Ich bin beeindruckt.«
»Den Trick hat mir Deckert gezeigt.« Sander zuckte mit den Schultern. »Ich frag mich zwar, wie der mit seinen Wurstfingern so was spüren kann …«
»Und wie viele Markierungen hast du gefunden?«, unterbrach Pandera ihn.
»Drei«, antwortete Sander und schlug den Katalog an den entsprechenden Stellen auf. »Einmal mit der Costa Marina von Rom über Sizilien, Tunesien und Marokko auf die Kanaren, einmal mit der Voyager über Ägypten nach Dubai und
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