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Das letzte Theorem

Das letzte Theorem

Titel: Das letzte Theorem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pohl Clarke
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als Ranjit und Myra versuchten, Natasha mit den Augen dieses jungen Brasilianers zu sehen, fiel ihnen auf, dass sich ihre fünfzehn Jahre alte Tochter zu einer attraktiven jungen Frau gemausert hatte. Ranjit wunderte sich ein wenig, dass
Myra nichts dabei zu finden schien, dass Natasha offensichtlich einen Freund hatte. Mit aufrichtig empfundener Herzlichkeit schüttelte sie Ronaldinhos Hand, während der kleine Robert den Kurzstreckenläufer nur zur Kenntnis nahm, um ihn beiseitezuschieben, damit er sich unter lautem Gebrüll in die Arme seiner großen Schwester werfen konnte.
    Nachdem Natasha Roberts Stirn und Wangen mit Küssen überschüttet hatte, flüsterte sie Ron etwas ins Ohr, und der nickte. Dann wandte er sich an ihre Eltern. »Es hat mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen«, sagte er höflich, drehte sich um und entfernte sich mit dem wie in Zeitlupe gedehnten, hüpfenden Gang, der sich durch die geringe Schwerkraft des Mondes ergab.
    »Er muss noch trainieren«, erklärte Natasha. »Mein Wettbewerb findet morgen statt; er ist erst am Mittwoch dran. Doch zuerst kümmert er sich um euer Gepäck, das haben wir so vereinbart. Er bringt die Sachen in euer Zimmer, und derweil haben wir genug Zeit, etwas Anständiges zu essen.« Robert an der Hand führend ging sie voraus. Mit Natashas Hilfe lernte der Junge schnell, Rons Schritte einigermaßen gekonnt nachzuahmen. Ranjit stellte sich nicht so geschickt an. Er fand es einfacher, sich mit beiden Füßen vom Boden abzustoßen und im Zeitlupentempo von einem Punkt zum anderen zu hopsen. Der Nachteil daran war, dass es ziemlich unelegant aussah.
    Sie hatten nicht weit zu gehen, und von der Kantine, in die Natasha sie lotste, waren sie angenehm überrascht. Das Essen war nicht mit dem Fraß zu vergleichen, mit dem man sie in der Skyhook-Kapsel abgefertigt hatte. Es gab Salat, Hackbraten und zum Nachtisch frisches Obst.
    »Die meisten Lebensmittel werden von der Erde hierhergebracht«, erklärte Natasha. »Aber die Erdbeeren und viele Salatsorten züchtet man in einer benachbarten Lavaröhre.«
    Doch Ranjit und Myra interessierten sich jetzt nicht für die Herkunft der Speisen. Sie wollten wissen, was Natasha gemacht hatte und wie es ihr ging. Und Natasha fragte sie nach
allen Einzelheiten ihrer Reise. Halb geduldig, halb belustigt, ganz der Veteran, der all das längst aus eigener Erfahrung kannte, hörte sie sich die Anekdoten ihrer Eltern an. Sie stutzte, als man ihr erzählte, wie Robert das Wort »Fisch« geschrien hatte, doch als sie dann Robert in ihrem privaten, anderen Leuten unverständlichen Dialekt ein paar Fragen dazu stellte, war er viel zu sehr mit dem Knabbern von Mürbekeksen beschäftigt, um ihr antworten zu können. Schließlich konnte sie ihrem kleinen Bruder doch ein paar Bemerkungen entlocken. »Er sagt, er hätte durch das Fenster etwas entdeckt, das wie ein Fisch aussah. Komisch. Es gibt noch ein paar Leute, die behaupten, sie hätten auf dem Weg hierher etwas Merkwürdiges beobachtet.«
    Myra gähnte. »Wahrscheinlich war es zu Eis gefrorener Urin von irgendwelchen Astronauten«, meinte sie schläfrig. »Erinnert ihr euch noch an die Geschichten, die die Apollo-Crews erzählten? Dass sie im Weltraum so etwas wie Glühwürmchen gesichtet hätten?« Sie gähnte abermals. »Hast du vorhin nicht etwas über ein Zimmer gesagt? Mit einem Bett darin?«
    Natasha führte sie in ihr Quartier. Das Bett, das sich Ranjit und Myra teilen mussten, war fast einen Meter breit, gerade richtig, um richtig zu kuscheln. Sobald sie es sahen, konnten sie der Versuchung nicht widerstehen, sich hinzulegen. Nur ein kurzes Nickerchen, dachte Ranjit, einen Arm um seine Frau gelegt, die bereits schlief. Dann ziehe ich los und erkunde diesen faszinierenden Ort - aber erst, nachdem ich eine Dusche genommen habe.
    Das war seine feste Absicht. Er konnte nichts dafür, dass letzten Endes alles anders kam. Seine Frau musste ihn wecken, indem sie ihn bei den Schultern packte und sanft schüttelte. »Ranj?«, flüsterte sie. »Du hast jetzt vierzehn Stunden geschlafen. Wenn du sofort aufstehst, reicht die Zeit für ein gemütliches Frühstück und eine Besichtigung der Lavaröhre. Aber dann beginnt auch schon der Wettkampf, und wir müssen doch zusehen, wie unsere Tochter sich schlägt.«

    Bei den Olympiaden auf der Erde gab es Hunderttausende von Zuschauern. Verglichen damit war das Publikum, das die erste Olympiade auf dem Mond live miterleben durfte, minimal. Gerade mal

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