Das letzte Theorem
behandelt wurde, kippte er auch nicht mehr um. Aber die Ärzte kannten keine Pillen, die Robert so klug gemacht hätten wie seine ganz gewöhnlichen Spielkameraden.
Eines Morgens klopfte es an der Tür. Ranjit, der sich gerade rüstete, mit dem Fahrrad zur Universität zu fahren, machte auf, und vor ihm stand Gamini. »Eigentlich hätte ich anrufen und dich fragen müssen, ob ich kurz mal bei euch vorbeischauen darf, Ranj«, begann er. »Aber ich hatte Angst, du würdest Nein sagen.«
Als Antwort schlang Ranjit die Arme um seinen alten und besten Freund und drückte ihn fest an sich. »Du bist ein Idiot. Und ich dachte, du wärest böse auf uns, weil ich damals dein Angebot ablehnte.«
Er ließ Gamini los, und der grinste ihn verlegen an. »Ehrlich gesagt, war ich damals ziemlich wütend. Darf ich reinkommen?«
Selbstverständlich wurde Gamini Bandara ins Haus eingeladen, wo Myra und der kleine Robert ihn umarmten. Robert schenkte er seine größte Aufmerksamkeit, denn Gamini hatte den Jungen noch nicht gesehen. Doch dann verzog Robert sich mit der Köchin, um mit seinen Laubsäge-Puzzles zu spielen, und die Erwachsenen setzten sich auf die Veranda. »Wo steckt Tashy?«, erkundigte sich Gamini und nahm eine Tasse Tee entgegen.
»Sie ist zum Segeln gegangen«, erwiderte Ranjit. »Das macht sie oft - sie trainiert für ein wichtiges Rennen, an dem sie teilnehmen will. Aber was führt dich nach Sri Lanka?«
Gamini spitzte die Lippen. »Ihr wisst bestimmt, dass demnächst in Sri Lanka die Präsidentschaftswahlen stattfinden, nicht wahr? Mein Vater plant, seinen Sitz im Gremium von Pax per Fidem aufzugeben und sich als Kandidat aufstellen zu
lassen. Und falls er gewinnt, hat er sich zum Ziel gesetzt, Sri Lanka in die Allianz einzubringen.«
Ranjit schaute ehrlich erfreut drein. »Das wäre toll. Dein Vater gäbe einen guten Präsidenten ab.« Er legte eine Pause ein, und Myra sprach aus, wovor Ranjit zurückgescheut war.
»Du siehst aus, als hättest du irgendwelche Zweifel, Gamini«, bemerkte sie. »Gibt es ein Problem?«
»Und ob«, bestätigte er. »Es ist Kuba.«
Mehr brauchte er wirklich nicht zu sagen, denn natürlich hatten Myra und Ranjit die Vorgänge dort verfolgt. Kuba hatte kurz davorgestanden, wegen eines Beitritts zu Pax per Fidem einen Volksentscheid durchzuführen.
Und mit hoher Wahrscheinlichkeit hätten die Kubaner für Pax per Fidem gestimmt. Kuba waren die üblichen Horrorszenarien, die die Länder der dritten Welt heimsuchten, erspart geblieben. Fidel Castro hatte eine Menge Unheil angerichtet, aber auch einiges Gute bewirkt. Kuba besaß ein gutes Schul-und Hochschulsystem; es gab ausreichend hervorragend ausgebildete Ärzte, Krankenschwestern und andere Leute, die auf irgendeinem medizinischem Gebiet tätig waren; das Expertencorps, das sich mit der Bekämpfung von Seuchen befasste, genoss Weltruf. Seit über einem halben Jahrhundert war kein einziger Kubaner mehr an Unterernährung gestorben.
Andererseits hatte Castro dafür gesorgt, dass viele seiner Landsleute zu leidenschaftlichen, um nicht zu sagen fanatischen Partisanen wurden. Viele Kubaner hatten ihre Insel verlassen, um in einem Dutzend anderer Staaten für die Weltrevolution zu kämpfen und zu sterben, und deren Söhne - aber auch Töchter! - und Enkel hatten dies nicht vergessen. Aus dieser Zeit des Aufbruchs gab es sogar noch Überlebende, mittlerweile in den Achtzigern, wenn nicht sogar noch älter, aber ihre Kräfte reichten immer noch aus, um eine Waffe abzufeuern oder eine Bombe zu zünden.
Wie hoch mochte die Anzahl dieser Veteranen sein? Den Ausgang des Plebiszits hätten sie auf gar keinen Fall beeinflussen können, so viel stand fest. Als die Stimmen ausgezählt wurden, hatten über achtzig Prozent der Kubaner sich für einen Beitritt zu Pax per Fidem entschieden - also für eine Entwaffnung ihres Landes, für Frieden und für eine neue Verfassung. Aber auf zwölf Mitarbeiter von Pax per Fidem war geschossen worden, neun trugen Verletzungen davon, und zwei der Verwundeten starben.
»Sicher, das ist eine Tragödie«, kommentierte Ranjit. »Aber was hat das mit Sri Lanka zu tun?«
»Es hat mit den USA zu tun«, erwiderte Gamini ärgerlich. »Und auch mit Russland und China, weil die beiden Staaten nichts unternehmen. Aber die Amerikaner wollen jetzt sechs ihrer Kompanien hinschicken, ausgerüstet mit Schnellfeuergewehren und bestimmt auch mit Panzern, davon bin ich fest überzeugt! Dabei lautet das Hauptmotto
Weitere Kostenlose Bücher