Das letzte Theorem
hatte gehört und verstanden, dass Blinzler ihn nicht ertrinken lassen würde, aber sein Körper reagierte instinktiv, ließ sich vom Verstand nicht mehr steuern. Er fühlte sich wie ein Ertrinkender, der Angst hat zu sterben, und er wollte, dass dieser Vorgang sofort aufhörte. »Hilfe!«, schrie Ranjit, jedenfalls versuchte er es. »Stopp! Nicht weitermachen!« Doch aus seinem Mund kam nur ein blubberndes, würgendes Geräusch, mit Wasser vermischte Wortfetzen, die mit der englischen Sprache keine Ähnlichkeit mehr hatten.
Der Wasserschwall versiegte, das Tuch wurde von seinem Gesicht gezogen, und man hievte Ranjit in eine sitzende Stellung. »Wie heißt du?«, fragte Blinzler höflich.
Ranjit bemühte sich, den krampfhaften Husten lange genug zu unterdrücken, um eine Antwort geben zu können. »Ich bin Ranjit Sub …«, begann er, doch noch ehe er den Namen ganz aussprechen konnte, rammte man seine Schultern wieder auf den Boden, klatschte ihm das nasse Tuch über das Gesicht, und die entsetzliche Wasserfolter begann von neuem.
Ranjit hielt diese Quälerei insgesamt fünfmal durch, doch dann war sein Wille endgültig gebrochen, jeder Widerstand dahin, und nach Luft schnappend keuchte er: »Ich bin der, für den Sie mich halten, egal, wer das sein mag. Hören Sie nur damit auf!«
»Schön«, erwiderte Blinzler aufmunternd. »Wir machen Fortschritte, Kirthis Kanakaratnam. Und jetzt erzähl mir bitte, für welches Land du gearbeitet hast.«
Natürlich gab es noch viele andere Wege, um jemanden gefügig zu machen, bis er kooperierte, doch keine dieser Methoden
führte zu einem Geständnis, weil Ranjits keine Verbrechen begangen hatte, die er gestehen konnte.
Das brachte die Verhörspezialisten zur Weißglut. Blinzler lamentierte einmal: »Du führst uns regelrecht vor, Ranjit oder Kirthis oder wer immer du bist. Hör mir gut zu. Du machst dir das Leben leichter, wenn du endlich aufhörst abzustreiten, dass dein Name Kirthis Kanakaratnam lautet.«
Ranjit versuchte, den Rat anzunehmen. Danach ging es ihm tatsächlich ein bisschen besser.
14
Eine Auslieferung an den Meistbietenden
Ohne dass Ranjit davon erfuhr, passierte außerhalb seines Gefängnisses eine ganze Menge. Kathedralen wurden in die Luft gesprengt, Züge zum Entgleisen gebracht, Bürogebäude verpestet, indem man radioaktiven Staub in die Belüftungssysteme einleitete. Und Attentate? Oh doch, viele Leute wurden ermordet; man schnitt ihnen die Kehle durch oder stürzte sie aus dem Fenster eines Hochhauses; sie starben durch Handfeuerwaffen, Flinten und Sturmgewehre; sehr oft vergiftete man sie, wobei man mitunter geniale Ideen hatte, wie man ihnen das Gift zuführte.
Manche Todesfälle wirkten geradezu bizarr. In einem Fall sorgten die Attentäter dafür, dass ihrem Opfer ein Klavier auf den Kopf fiel, ein anderes Mal stellte sich jemand auf die Brust des zu tötenden Mannes, um ihn auf dem Boden seiner Badewanne festzuhalten, während aus den Hähnen lauwarmes Wasser sprudelte.
Und dann gab es natürlich die Kriege. Der vielleicht mörderischste brach in einem alten Krisengebiet aus, als Sunniten in kurdisches Gebiet eindrangen und damit den nächsten bewaffneten Konflikt heraufbeschworen; seit der Besetzung durch die USA war der Irak nie mehr zur Ruhe gekommen.
Aber es geschahen nicht nur üble Dinge. Unter der strengen Überwachung von vier der fünf skandinavischen Staaten - Island, das selbst mit Unruhen im eigenen Land zu kämpfen hatte, hielt sich raus - flauten ein paar der brutalsten Kriege zumindest ein wenig ab. Sogar Myanmar, das früher Burma genannt wurde (außer von seiner starrköpfigen Regierungsclique),
hatte ohne vorherige Ankündigung sämtliche seiner politischen Gefangenen freigelassen und ausländische Diplomaten eingeladen, bei den nächsten Wahlen als Beobachter zu fungieren.
Und zu guter Letzt - Ranjit wäre begeistert gewesen, hätte er davon gewusst - hatte die Weltbank nach endlosen Hinhaltemanövern sich dazu bereit erklärt, den Bau eines Artsutanov-Raumlifts mit einer Subvention von immerhin einer Milliarde Dollar zu unterstützen. Sicher, von einem Zuschuss durch die Weltbank bis zu einem funktionsfähigen Lift mit Kabinen, die an Kabeln rauf-und runterflitzten und einen mit einer Geschwindigkeit von dreihundert Stundenkilometern in eine niedrige Umlaufbahn um die Erde brachten, war es noch ein weiter Weg. Aber zumindest der erste konkrete Schritt war getan.
Natürlich waren dies nicht die einzigen
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