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Das letzte Theorem

Das letzte Theorem

Titel: Das letzte Theorem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pohl Clarke
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war, sich zu überzeugen, dass ihm in diesem Punkt kein Fehler unterlaufen war, kam die kleine Ada von ihrem Mittagsschlaf zurück. Sie suchte nach ihrer Tante und war beruhigt, als Ranjit ihr die Stelle im Meer zeigte, wo Myra mit energischen Schwimmzügen das Wasser durchpflügte.
    Ada schenkte sich selbst ein Glas Fruchtsaft ein und setzte sich hin, um Ranjit bei seiner Beschäftigung zuzusehen.

    Im Allgemeinen mochte es Ranjit nicht, wenn man ihn bei seinen Auseinandersetzungen mit mathematischen Problemen beobachtete. Am liebsten arbeitete er allein und völlig ungestört. Doch Ada gab ein ganz besonderes Publikum ab. Sie quengelte nicht oder wollte beschäftigt werden, im Gegenteil, sie machte sogar einen sehr zufriedenen Eindruck. Als Ranjit ihr ein Eis von einem der Verkäufer holte, die mit ihren Karren den Strand auf und ab fuhren, aß sie es langsam, während sie die ganze Zeit über wie gebannt auf die Zahlen starrte, die er in sein Notizbuch eintrug. Nachdem sie ihr Eis verzehrt hatte, lief sie ans Wasser, um sich die klebrigen Finger zu waschen. Und als sie sich dann wieder zutraulich neben Ranjit setzte, fragte sie höflich: »Darf ich bitte mal sehen, was du geschrieben hast?«
    Mittlerweile hatte er sich vergewissert, dass er in Bezug auf die Germain’sche Formulierung richtig gelegen hatte. Er klappte das Notizbuch auf, das vor ihm auf dem Tisch lag, und schob es der Kleinen zu. Dann wartete er gespannt, was sie zu Sophie Germains Formeln sagen würde.
    Eine Weile betrachtete sie die Reihen aus Zahlen und Symbolen, dann verkündete sie: »Das verstehe ich nicht.«
    »Das ist auch schwer zu verstehen«, pflichtete Ranjit ihr bei. »Und im Augenblick kann ich es dir noch nicht einmal erklären. Aber …«
    Er brach ab und sah das Mädchen prüfend an. Sie war viel jünger als Tiffany Kanakaratnam zu dem Zeitpunkt gewesen war, als er versuchte, sie und ihre Geschwister mit mathematischen Spielchen zu unterhalten, aber Ada hatte den Vorteil, dass sie aus einer höher gebildeten Familie stammte. »Aber vielleicht kann ich dir etwas anderes zeigen«, fuhr er fort. »Kannst du an den Fingern zählen?«
    »Natürlich kann ich das«, antwortete sie beinahe ärgerlich. »Schau mal«, forderte sie ihn auf, einen Finger nach dem anderen in die Höhe reckend. »Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn.«

    »Ja, das hast du sehr gut gemacht«, lobte Ranjit, »aber du bist nur bis zehn gekommen. Möchtest du lernen, wie man an den Fingern bis eintausendunddreiundzwanzig zählen kann?«
     
    Noch während er dabei war, dem Kind beizubringen, wie man nach dem binären System an den Fingern bis 1023 zählen kann, kam Myra vom Schwimmen zurück und hörte ihm genauso gespannt zu wie ihre Nichte.
    Als er dann schließlich das gewünschte Resultat erreicht hatte, blickte das Mädchen zu Myra hin, die gerade ihre Haare mit einem Handtuch trocken rubbelte. »Das ist toll, nicht wahr, Tante Myra?«, meinte Ada. Und zu Ranjit gewandt: »Kennst du noch mehr solcher Tricks?«
    Ranjit zögerte. Er kannte noch einen Trick, den er jedoch nicht einmal Tiffany Kanakaratnam gezeigt hatte, aber in seinem Publikum befand sich Myra.
    »Ja, ich hätte da wirklich noch was auf Lager«, gab er zu und verließ die Veranda, um einen Kreis in den Sand zeichnen zu können.

    »Das soll eine Rupie sein«, erklärte er. »Wenn man eine richtige Münze in die Luft wirft, gibt es zwei Möglichkeiten, wie sie unten landet. Entweder zeigt der Kopf nach oben oder die Zahl.«
    »Wenn sie in den Sand fällt, kann sie auch so stecken bleiben, dass die Kante nach oben zeigt«, hielt Ada entgegen.
    Er blickte das Mädchen an und nickte. »Gut, dass du mich darauf hingewiesen hast. Also gut, wir werfen die Münze nicht am Strand, sondern auf einem Würfeltisch in einem Spielkasino. Und wenn man zwei Münzen wirft …«

    »… kann es sein, dass beide so aufkommen, dass sie mit dem Kopf nach oben zeigen, aber es kann auch beide Male die
Zahl zu sehen sein. Dann besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass bei der einen die Zahl nach oben zu liegen kommt, bei der anderen der Kopf. Das heißt, es gibt vier mögliche Resultate: Kopf-Kopf, Kopf-Zahl, Zahl-Kopf, oder Zahl-Zahl. Wenn wir aber drei Münzen nehmen …«

    »… gibt es bereits acht Möglichkeiten: Kopf-Kopf-Kopf, Kopf-Kopf-Zahl, Kopf …«
    »Ranjit«, unterbrach ihn Myra. Sie lächelte, doch in ihrer Stimme schwang eine Spur von Ungeduld mit. »Ada weiß, was zwei

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