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Das letzte Theorem

Das letzte Theorem

Titel: Das letzte Theorem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pohl Clarke
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schickten, um sicherzugehen, dass die Ausführungen Hand und Fuß hatten.
    Wie lange konnte eine derartige Überprüfung dauern?
    Ranjit hatte keinen blassen Schimmer. Er fand nur, dass mittlerweile mehr Zeit verstrichen war, als ihm lieb sein konnte.
    Jedes Mal, wenn der Butler an seine Tür klopfte, um einen Besucher anzumelden, war er voll gespannter Erwartung und hoffte, die lang ersehnte Antwort sei endlich eingetroffen. Wenn der Butler dann verkündete, in welcher unbedeutenden Angelegenheit diese Person ihn zu sprechen wünsche, sanken seine Hoffnungen in sich zusammen wie ein Häufchen Asche.

18
Gesellschaft
    Ranjit weilte bereits sieben Tage im Haus der Vorhulsts, als der Butler wieder einen Besucher hereinführte, dieses Mal Myra de Soyza. »Komme ich ungelegen, Ranjit?«, fragte sie als Erstes. »Tante Bea sagte, ich könnte ruhig bei dir vorbeischauen, solange ich dich nicht beim Ausruhen störe.«
    In der Tat war er gerade dabei zu ruhen, und Myra de Soyza hatte ihn wirklich gestört. Das wollte er ihr natürlich nicht sagen, und er bemühte sich, ein Gespräch in Gang zu bringen. »Was tust du so?«, erkundigte er sich. »Ich meine, studierst du noch an der Universität?«
    Ihr Grundstudium war abgeschlossen. Gleich nach dem Soziologiekurs, den sie beide belegt hatten, hatte sie ihr Examen gemacht. Sie kam gerade aus den USA zurück, wo sie am MIT weiterführende Studien betrieb. (Er staunte, als sie ihm erzählte, welch hohen akademischen Grad sie bereits erreicht hatte.)
    »Und was genau studierst du am MIT?«, wollte er wissen.
    »Nun ja … ich befasse mich mit Künstlicher Intelligenz, mehr oder weniger.«
    Er beschloss, nicht auf das geheimnisvolle »mehr oder weniger« einzugehen. »Und wie weit ist die Künstliche Intelligenz gediehen?«
    Endlich lächelte sie. »Wenn du fragst, wie nahe wir dran sind, einen Computer zu konstruieren, mit dem man sich vernünftig unterhalten kann, dann lautet meine Antwort, dass wir kaum Fortschritte gemacht haben. Aber verglichen mit den ersten Projekten auf diesem Gebiet ist die Entwicklung einer
Künstlichen Intelligenz gar nicht mal schlecht gelaufen. Hast du schon mal von einem Mann namens Marvin Minsky gehört?«
    Ranjit forschte in seinem Gedächtnis nach, wurde jedoch nicht fündig. »Ich glaube nicht.«
    »Schade. Er gehörte mit zu den besten Wissenschaftlern, die an der Schaffung von Künstlicher Intelligenz arbeiteten. Minsky versuchte zu definieren, was Gedanken überhaupt sind, und Wege zu finden, wie man einen Computer dazu bringt, Aufgaben zu erfüllen, die tatsächlich so etwas wie eigenständige Denkprozesse voraussetzen. Wenn ich manchmal glaube, mit meiner Forschung in einer Sackgasse gelandet zu sein, dann erinnere ich mich an eine Geschichte, die er zu erzählen pflegte, und das gibt mir immer wieder neuen Auftrieb.«
    Sie hielt inne, als sei sie sich nicht sicher, ob Ranjit sich überhaupt für dieses Thema interessierte. Doch der hätte allem, was Myra von sich gab, fasziniert gelauscht, selbst wenn sie über Zugverspätungen oder die letzten Börsenkurse gesprochen hätte. Hastig bekundete er sein Interesse, und sie fuhr fort zu erzählen. »Nun, als man anfing, sich mit Künstlicher Intelligenz zu beschäftigen, glaubten er und alle anderen Pioniere dieser Wissenschaft, dass das Erkennen von Mustern zu den wichtigsten Merkmalen einer KI gehört. Dann löste man das Problem der Mustererkennung, das bald zum ganz normalen Alltag gehörte. In jedem Supermarkt der Welt gibt es Kassen, die die Preise der Artikel von einem Strichcode ablesen. Was hatte das zu bedeuten? Ganz einfach, man musste Künstliche Intelligenz neu definieren. Mustererkennung gehörte nicht mehr zu den Voraussetzungen, denn für die neuen Computer war das kein Problem mehr, auch wenn sie immer noch keinen Witz erzählen oder anhand deines Aussehens bestimmen konnten, ob du vielleicht einen Kater hattest.«
    »Und jetzt gibt es Computer, die Witze erzählen können?«, hakte Ranjit nach.

    Sie straffte die Schultern. »Ich wünschte, es wäre so«, erwiderte sie trübsinnig. Dann seufzte sie. »Im Übrigen gilt mein Hauptinteresse nicht mehr solchen Dingen. Ich arbeite im Bereich der praktischen Anwendung von Computertechnik. In erster Linie entwickle ich autonome Prothesen.« Übergangslos änderte sich ihre Mimik, und sie wechselte das Thema. »Warum hältst du ständig deine Hand vor den Mund, Ranjit?«, wollte sie auf einmal wissen.
    Mit einer so persönlichen Frage

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