Das letzte Theorem
hat gewissermaßen das erste Computerprogramm in der Geschichte geschrieben, und zwar für Charles Babbages Rechenmaschine. Das muss in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts gewesen sein!«
»Genau die meine ich!«, bestätigte Myra. »Ada Lovelace sagte einmal: ›Die Analytische Maschine webt algorithmische Muster, wie ein Webstuhl Blumen und Blätter webt.‹ Sie hat Konzepte zur Programmierung einer mechanischen Maschine entworfen, die zu ihrer Zeit technisch noch gar nicht realisierbar
war. Und zusammen mit Charles Babbage, den sie in den wissenschaftlichen Zirkeln Londons kennengelernt hatte, arbeitete sie die Programmiergrundlagen seiner sogenannten ›Analytischen Maschine‹ aus. Und Adas Vorschlag zur Berechnung von Bernoulli-Zahlen wird heute als das erste Computerprogramm überhaupt angesehen.« Ihre Nichte liebevoll ins Auge fassend, fügte sie hinzu: »Und nach dieser bemerkenswerten Frau wurde später die Programmiersprache Ada benannt.«
Der tägliche Ausflug an den Strand wurde zu einem festen Bestandteil ihres Lebens, und Ranjit hatte eine Idee, wie man ihn noch schöner gestalten konnte. De Saram hatte für ihn ein Bankkonto mit einem gewissen Kreditrahmen eröffnet; als Sicherheit diente sein zu erwartendes Erbe. Für Ranjit bedeutete das, dass er jetzt nicht nur über Bargeld verfügte, sondern sich auch im Besitz einer Kreditkarte befand. So ausgerüstet beschloss er, Myra zum Dinner in eines der Restaurants einzuladen, die sich oberhalb der Baumlinie längs des Strandes aneinanderreihten.
Sein Chauffeur hielt vor einem Lokal an, doch als Ranjit die Wagentür öffnete, um die Örtlichkeit näher in Augenschein zu nehmen, stieg ihm ein Geruch in die Nase, der alles andere als verlockend war. Das nächste Restaurant, das er inspizierte, erschien ihm da schon vielversprechender. Für alle Fälle stieg er jedoch aus und ging hinein, um sich einen besseren Eindruck zu verschaffen. Er ließ sich die Speisekarte bringen, studierte sie gründlich, sog derweil schnuppernd die Luft ein und erklärte dann dem Kellner, er käme wieder zurück, sagte jedoch nicht, wann.
Im dritten Lokal hielt Ranjit zwar die Speisekarte in den Händen, warf jedoch kaum einen Blick darauf. Die Aromen, die aus der Küche herüberwehten, die Art und Weise, wie die wenigen Gäste bei Tee und Süßigkeiten verweilten, nachdem sie das Hauptgericht offenbar schon verzehrt hatten … all das
wirkte vertrauenerweckend. Ranjit atmete ein paarmal tief durch und reservierte einen Tisch. Als er Myra dann zum Dinner einlud, blickte sie einen Moment lang unschlüssig drein, doch dann antwortete sie: »Selbstverständlich. Ich freue mich darauf.«
Danach musste Ranjit nur noch den Tag hinter sich bringen, ehe er das Vergnügen hatte, Myra eine Annehmlichkeit zu erweisen.
Dieses Mal war Ada nicht bei ihrer Tante zu Besuch, und sie nutzten die Gelegenheit, weiter als üblich ins Meer hinauszuschwimmen. Später zogen sie sich um, setzten sich mit Drinks auf die Veranda und plauderten. Nun ja, in erster Linie bestritt Myra das Gespräch. »Früher ging es hier viel lebhafter zu«, erzählte sie und blickte über den fast menschenleeren Strand. »Als ich klein war, gab es ganz in der Nähe zwei Luxushotels, und die Restaurants waren auch zahlreicher.«
Ranjit sah sie neugierig an. »Vermisst du den Trubel?«
»Nein, eigentlich nicht. Im Grunde gefällt mir diese Ruhe besser. Aber meine Eltern gingen oft zum Tanzen in diese Hotels, und jetzt gibt es hier kein Lokal mehr, das irgendeine Form von Unterhaltung bietet.«
Ranjit nickte. »Der Tsunami«, sagte er.
Aber Myra schüttelte den Kopf. »Nein, das fing schon viel früher an. 1984, bei Ausbruch des Bürgerkriegs. Ein paar der ersten Kämpfe fanden direkt hier statt. Sea Tigers landeten an dieser Stelle mit ihren Booten, um dann den Flughafen anzugreifen. Die Armee verschanzte sich in den Hotels, um von dort aus zu feuern, und als Folge davon nahmen die Tigers die Hotels unter Beschuss. Zu der Zeit hielten sich meine Eltern hier auf. Sie konnten nicht weg, saßen fest, bis die Lage sich ein bisschen beruhigte und die Straßen wieder für den normalen Verkehr geöffnet wurden. Meine Mutter erzählte, die Leuchtspurgeschosse hätten ausgesehen und sich angehört wie ein Feuerwerk. Sie wurden von den angreifenden Booten abgefeuert, und die Soldaten, die sich in den Hotels verschanzt
hatten, feuerten zurück. Der Lärm muss infernalisch gewesen sein. Von da an war es hier
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