Das letzte Theorem
Phantasie in diese Richtung interpretieren konnte«, fand sie.
»Daran kann ich mich gar nicht erinnern«, erwiderte er. »Wahrscheinlich hat mein Unterbewusstsein aus mir gesprochen.« Er holte tief Luft und fuhr fort: »Das beweist, dass mein Unterbewusstsein viel schlauer ist als ich. Nun, was ist, Myra, willst du mich heiraten?«
»Natürlich, was dachtest du denn?«, versetzte sie, als hätte er ihr eine völlig überflüssige und obendrein dumme Frage gestellt. Und damit war das Thema erledigt.
Wochen später, als sie die aufgezeichnete Pressekonferenz aus lauter Neugier noch einmal abspielten, stellten sie fest, dass er im Grunde nur gesagt hatte, er könne sich ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen. Doch das genügte ihnen, und zu diesem Zeitpunkt waren sie ohnehin schon längst verheiratet.
Lief alles glatt für das verliebte Paar?
So ziemlich. Sie brauchten nicht zu überlegen, ob sie heiraten würden, denn für beide stand fest, dass dies eine abgemachte Sache war; und auch bezüglich des Termins gab es keine Unstimmigkeiten, denn die Hochzeit sollte so bald wie möglich stattfinden. Die Frage war nur, wo sie heiraten und wer die Trauungszeremonie vornehmen sollte. Dabei sah es eine Zeit lang so aus, als ließe sich auch dieses Problem ganz einfach lösen, denn die Vorhulsts, die Bandaras und die de Soyzas hatten Zugang zu jeder Kirche und jedem Standesamt in Colombo und waren emsig dabei, die am wenigsten attraktiven Lokalitäten auszusondern, als Myra den abwesenden Blick in Ranjits Augen bemerkte.
Als sie ihn fragte, was mit ihm los sei, wiegelte er ab. »Es ist nichts«, behauptete er, »mit mir ist alles in Ordnung. Wirklich.«
Aber Myra ließ nicht locker, bis er schließlich klein beigab und ihr einen zweiten Brief des alten Mönchs zeigte. In dem hieß es:
Vielleicht lässt es sich einrichten, dass Ihr im Tempel von Trincomalee heiratet. Es hätte Deinen Vater überglücklich gemacht.
Myra las den Brief zweimal durch, dann lächelte sie. »Warum eigentlich nicht?«, meinte sie. »Wo wir heiraten, geht nur uns beide etwas an. Ich werd’s allen erzählen.«
Natürlich verstanden »alle«, dass Myra mit diesem Entschluss Ranjit einen Gefallen tun wollte, und keine Macht der Welt würde sie jetzt noch davon abbringen, ihren Plan durchzuführen. In einigen Kreisen in Colombo herrschte eine gewisse Enttäuschung, dafür war man in Trincomalee geradezu trunken vor Freude. Der alte Mönch begriff schnell, dass die Zeremonie allerdings eingeschränkt werden musste. Bedauernd malte er sich aus, was für ein herrliches Paalikali Thalippu man für die Braut hätte ausrichten können, und wie aufregend es gewesen wäre, das Janavasanam des Bräutigams zu gestalten. Geschmückt mit den schönsten Blumen und erlesensten Früchten hätte der Tempel Ranjits Ankunft erwartet.
Nun ja, hätte man sämtliche feierlichen Bräuche und Riten beachtet, wäre das Hochzeitsfest zu einer Parade ausgeufert. Und das hätte unweigerlich Aufmerksamkeit erregt, doch das junge Paar hatte sich ausdrücklich gewünscht, in aller Stille zu heiraten. Also gab es kein Paalikali Thalippu und kein Janavasanam, obwohl der Mönch dafür sorgte, dass das Gefolge der Braut den nötigen Vorrat an parupputenga und anderen Süßigkeiten mitbrachte, um die Geschenke dann an den Bräutigam zu überreichen.
Die schlichte Hochzeit brachte den Vorteil mit sich, dass die Vorbereitungen nicht viel Zeit in Anspruch nahmen. Es dauerte nicht einmal eine volle Woche, und Braut und Bräutigam
weilten in Trincomalee - genauer gesagt, sie versteckten sich dort; sie vermieden es, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen, da man sie auf Anhieb erkannt hätte.
Bei der Zeremonie waren nur wenige Menschen zugegen. Ranjit sprach die Worte, die der alte Mönch ihm aufgeschrieben hatte, und Myra ließ sich den heiligen Faden, der das Böse fernhielt, um ihr Handgelenk binden. Das alles fand in einem im Blumenschmuck ertrinkenden Raum statt und wurde begleitet vom pausenlosen Dröhnen der Naathaswaram-Hörner und der melam -Trommeln.
Dann war alles vorbei, und das frisch verheiratete Paar stieg in das Polizeifahrzeug, um die lange Rückfahrt zum Anwesen der Vorhulsts anzutreten.
»Möget ihr lange leben!«, riefen die Mönche ihnen zum Abschied zu, und Ranjit und Myra waren zuversichtlich, dass ihnen in der Tat ein langes Leben beschieden sein würde.
Andere Individuen jedoch, die sich nicht in ihrer unmittelbaren Nähe aufhielten, rechneten
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