Das letzte Theorem
entdeckte, er hätte den Beweis für seinen Lehrsatz gefunden, nur fehle ihm der Platz, um diesen ausführlich darzustellen, herrschte im Auditorium eine angespannte Stille. Allerdings blieb es nicht so ruhig. Die Leute lachten, als er sagte, der Welt wäre so manches erspart geblieben, hätten Fermats Bücher nur einen breiteren Rand besessen. Und sie klatschten wieder, wenn auch nicht so überschwänglich, als er Schritt für Schritt beschrieb, wie ihm allmählich dämmerte, was Fermat gemeint haben konnte.
Viel Applaus erhielt er für seine Darstellung von Sophie Germains Werk und wie ihn die Arbeit dieser ungewöhnlichen Frau endlich zu der richtigen Lösung geführt hatte. Bei jeder nur möglichen Gelegenheit spendeten die Zuhörer ihm Beifall, bis Ranjit den Punkt erreicht hatte, an dem er sich ziemlich sicher war - oder zumindest halbwegs sicher -, dass er tatsächlich einen hieb-und stichfesten Beweis für Fermats Letzten Satz geliefert hatte.
Er hielt inne, lächelte und schüttelte den Kopf. »Haben Sie eine Ahnung, wie schwierig es ist, einen fünf Seiten langen mathematischen Beweis im Kopf zu behalten?«, fragte er. »Ich hatte nichts zum Schreiben, sonst hätte ich das alles natürlich auf Papier festgehalten. Mir blieb also gar nichts anderes übrig, als jeden einzelnen Schritt immer und immer wieder in Gedanken zu wiederholen, diese fünf Seiten auswendig zu lernen, ständig in der Angst, ich könnte mich vertun oder etwas Entscheidendes vergessen. Ich weiß nicht, wie oft ich das Ganze im Kopf durchgegangen bin, vielleicht mehrere Hundert Male, vielleicht auch zig-tausend Mal … Und als ich dann gerettet wurde, war das Einzige, woran ich denken konnte, meinen Beweis endlich schriftlich zu fixieren. Ich brauchte unbedingt einen Computer, um augenblicklich mit der Arbeit beginnen zu können …
Ich bekam dann meinen Computer«, schloss Ranjit. Danach brandete ein Applaus auf, als wollten die Leute sich die Hände wund klatschen. Ranjit ließ sie gewähren, bis sie schließlich ermüdeten. Doch er musste lange warten, ehe er sich wieder Gehör verschaffen konnte. »Und das habe ich Gamini Bandara zu verdanken, meinem ältesten und besten Freund, außerdem seinem Vater, Dr. Dhatusena Bandara.«
Er deutete auf den älteren Mann, der gleichfalls einen donnernden Applaus erntete. »Es gibt noch zwei Menschen, denen ich Dank schulde. Der eine ist mein verstorbener Vater, Ganesh Subramanian aus dem Tiru-Koneswaram-Tempel in Trincomalee. Die andere Person versteckt sich hinter den Kulissen, aber sie hatte mich ursprünglich darauf gebracht, wie ich vorgehen müsste, um den Beweis zu finden. Ich sollte mich mit den mathematischen Vorgehensweisen beschäftigen, die zu Fermats Zeit üblich waren, und herauszufinden versuchen, ob Fermat sich vielleicht von außerhalb hatte inspirieren lassen. Ohne diese Person, die mir diesen klugen Rat erteilte, wäre ich vermutlich nicht so weit gekommen. Nicht nur das, ich weiß wirklich nicht, wie ich ohne sie auskommen könnte. Deshalb
werde ich gut Acht geben, dass ich sie nie wieder verliere. Treten Sie bitte vor, Dr. Myra de Soyza, und nehmen Sie meine Hand …«
Sie ging zu ihm auf die Bühne, und obwohl Ranjit bei ihrem Erscheinen immer noch sprach, war er kaum zu verstehen. Myra wurde von den Zuhörern mit Begeisterungsstürmen empfangen, vielleicht, weil die Leute ihm am Gesicht ansahen, was er für sie empfand, vielleicht aber auch, weil sie mit Abstand die hübscheste Frau im ganzen Saal war.
Wenn es nach Ranjit gegangen wäre, hätte der Applaus ewig andauern können, doch Myra schüttelte den Kopf. »Vielen Dank«, rief sie, »aber lassen Sie uns hören, was Ranjit sonst noch zu sagen hat.« Sie zog sich zurück und setzte sich auf Ranjits Stuhl, um zu lauschen.
Er wandte sich wieder dem Publikum zu. »Mit meiner Geschichte bin ich fertig«, erklärte er. »Aber ich habe versprochen, Ihre Fragen zu beantworten …«
Dann war die Pressekonferenz vorbei; es war ihm gelungen, sämtlichen Fragen auszuweichen, die sich um seine Inhaftierung und den Grund für seine Gefangennahme drehten. Sie waren in die Residenz der Vorhulsts zurückgekehrt, zusammen mit ein paar Leuten, die als Zuhörer an der Pressekonferenz teilgenommen hatten. Doch so wenige waren das gar nicht. Die beiden ersten Sitzreihen waren komplett vertreten, und hinzu kamen noch etliche andere Personen, die man gleichfalls eingeladen hatte.
Eigens für diesen Anlass hatte Mevrouw Vorhulst
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