Das letzte Zeichen (German Edition)
jemals einen Fuß hineinzusetzen, weil es sie sonst verschlingen würde, genau wie der Sumpf alle Bösen verschlang, die versuchten, in die Stadt einzudringen.
Evie atmete tief durch und zog Raffy den Rucksack von den Schultern; schweigend zogen sie die Overalls und die Stiefel an.
»Wohin jetzt?«, fragte Raffy mit sarkastischem Ton. Er hatte ihr noch immer nicht verziehen, dass sie sich in Lucas’ Plan hatte einbinden lassen. Hatte sie es sich selbst verziehen? Immerhin hatte sie Lucas geküsst. Er hatte ihr in die Augen gesehen, und sie hatte etwas gefühlt, etwas, das sie nicht hätte fühlen sollen.
»Da muss ein Häuschen sein. Eine Hütte«, flüsterte sie. Sie suchte den Horizont ab, und sie spürte, wie ihr Magen sich zusammenzog, als sie sie entdeckte. Sie war erleichtert, aber auch erschrocken, weil es sie wirklich gab und sie schon so nah waren. »Da drüben.« Sie deutete auf das baufällige Häuschen; es war genau so, wie Lucas es beschrieben hatte. »Da ist ein Wächter drin mit Wachhunden. Dahinter ist ein Pfad, der zum Osttor führt.«
»Ein Pfad? Durch das Sumpfland?« Raffy zog die Brauen hoch.
Evie zuckte mit den Schultern als Antwort. »Das hat Lucas gesagt.«
»Ach so, ja wenn Lucas das gesagt hat, dann muss es ja stimmen«, erwiderte Raffy scharf. »Wie lange habt ihr beide das alles eigentlich schon geplant? Und seit wann seid ihr beide so gute Freunde? Ach, das habe ich ganz vergessen. Ihr seid ja verlobt. Wirklich schade, dass du jetzt mit mir weggehst. Oder ist das noch ein Teil des Plans, von dem du mir nichts erzählt hast? Der Teil, wo du mich draußen vor dem Tor sitzen lässt und wieder zurückgehst, damit du glücklich und zufrieden mit Lucas leben kannst, so wie du es immer gewollt hast?«
Evie starrte ihn an und ihre Unterlippe zitterte. »Das ist nicht wahr«, flüsterte sie verzweifelt. »Tu das nicht, Raffy. Nicht jetzt. Wir müssen es hinausschaffen, bevor sie merken, dass du verschwunden bist.«
Raffy blickte sie finster an und zuckte die Schultern. »Na schön. Dann gehen wir also zu dem Haus?« Er marschierte los.
Evie folgte ihm. »Wir müssen aufpassen wegen den Hunden!«, rief sie, aber Raffy hörte nicht hin; er ging mit großen Schritten voraus, und sie musste laufen, um mit ihm mitzuhalten.
Bald erreichten sie das Haus. Raffy ging außen herum und blieb dann wieder bei Evie stehen. »Ein Pfad? Da ist kein Pfad. Da ist bloß Morast. Wir sitzen in der Falle. Traust du Lucas jetzt immer noch?«
Evie schluckte unbehaglich. Raffy hatte recht – da war nichts zu sehen von einem Weg, nur Marschland. Schon sanken ihre Stiefel langsam ein; wenn sie weitergingen, würden sie vom Boden verschluckt. War es eigentlich das, was Lucas gewollt hatte? Nein. Nein, sie war sich ganz sicher. Lucas war ein guter Mensch. Es musste einfach so sein …
Da ertönte ein Bellen und sie erstarrten. »Jetzt kriegen uns also die Hunde«, sagte Raffy bitter. »Ich habe es dir doch gesagt. Ich habe es dir gesagt.«
Doch Evie hörte nicht hin. Außer sich vor Angst, rannte sie hin und her und suchte nach dem Pfad. Er musste hier sein. Sie wusste es. Sie versuchte, sich zu erinnern, was Lucas gesagt hatte. Gleich hinter dem Haus. Gleich … Sie blickte zu der Hütte und erkannte mit einem Mal ihren Fehler. Sie standen an der Seite der Hütte. Sie waren von dort aus, wo sie die Hütte gesehen hatten, zur Rückseite gerannt, aber das Dach neigte sich zur Seite; sie suchten an der falschen Stelle.
»Hier entlang«, zischte sie und zog Raffy am Arm. Sie wollte laufen, aber der Boden war zu schwer; für ein paar Schritte brauchte man eine halbe Ewigkeit. Das Bellen wurde lauter; in der Hütte ging das Licht an.
Sie kamen zur Rückseite der Hütte und Evie starrte und starrte, sie wollte den Pfad unbedingt finden, aber da schienen überall Pfade zu sein, die nur Schatten auf dem Boden waren. Und dann plötzlich sah sie ihn im Mondlicht. Ein leicht erhöhter Bereich aus Stein oder etwas Ähnlichem zog sich von der Rückseite der Hütte ins Moor. Er verhinderte, dass die Hütte im Sumpf versank, er würde sie aus dem Sumpf hinausführen.
»Hier«, flüsterte sie und wies Raffy die Richtung und ging darauf zu, so schnell sie konnte. Als sie dort war, stellte sie sich darauf und lächelte Raffy hoffnungsvoll zu. Dann marschierte sie los. Der Weg war etwa zwei Schritt breit, so breit, dass man rennen konnte. Sie ging schneller, wandte sich um und trieb Raffy zur Eile an, da schwang die Hintertür
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