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Das Leuchten der Insel

Das Leuchten der Insel

Titel: Das Leuchten der Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McCleary
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der Anblick von Hood und Katie auf dem Sofa erinnerte sie noch an etwas anderes. Da war zum einen die übliche tiefsitzende Angst – Katie ist in Gefahr! –, aber außerdem war da auch noch etwas. Matt.
    Sie erinnerte sich daran, wie sie, damals nur ein oder zwei Jahre älter als Katie jetzt, mit Matt zusammen gewesen war. Sie erinnerte sich an den feurigen Sturm des Gefühls, dass er, der so sportlich, loyal, klug und leidenschaftlich war, sie stärker liebte und begehrte als alle anderen. Sie erinnerte sich an die Verletzlichkeit in seinem Gesicht und in seiner Stimme, als er sie Jahre später fragte: »Hast du schon mal darüber nachgedacht zu heiraten?«, und wie klar und aufrichtig seine Liebe und sein Verlangen nach ihr dabei zum Ausdruck kamen. Sie erinnerte sich an ihre Freude, das kleine Arbeitszimmer für ihn in ihrem viktorianischen Apartment zu schaffen, und an seine Überraschung und Dankbarkeit und an ihr gemeinsames Ziel in jenen Tagen. Sie wollte all das wiederhaben und zwar sofort.
    »Wir fahren zurück nach Tilton«, verkündete sie.
    »Was?«, fragte Katie.
    »Du hast mich verstanden. Ich brauche euren Vater. Ihr Kinder braucht euren Vater. Ich werde zu den Pavalaks gehen und es ihnen sagen. Wir werden nächste Woche abfahren, wenn die Schule für die Weihnachtsferien endet.«
    »Ich will nicht hier weg!«, rief Katie.
    »Es ist meine Schuld«, sagte Hood. »Fahren Sie bitte nicht. Ich verspreche, dass Katie und ich nur Freunde sein werden. Es tut mir leid.«
    »Ich bin mir sicher, dass es dir leidtut. Aber dies hat wirklich nichts mit dir zu tun«, erwiderte Susannah. »Ich muss auf meine Familie achtgeben. Wir fahren nach Hause.«

25. Kapitel
    Betty 2011
    D er Friedhof von Sounder war einer von Bettys Lieblingsorten auf der Insel. Er lag in einem Feld an der Straße und war durch keinerlei formelle Zeichen markiert und noch nicht einmal durch einen Zaun abgegrenzt. Lediglich diverse Felsbrocken, Pflanzen, Holzkreuze, Holzblöcke, Steinlaternen, Faschingsperlenketten und andere Erinnerungsstücke kennzeichneten die Gräber, die unsystematisch über das Feld verstreut lagen. Auf den ersten Blick wirkte der Friedhof wie ein halb verwilderter Garten mit kleinen Flecken exzentrischer Bepflanzungen mitten in hoch wucherndem Gras und welkem Laub.
    Betty parkte ihren Pick-up am Straßenrand und blieb noch einen Augenblick darin sitzen. Sie betrachtete den Friedhof. Dann stieg sie aus und ging durch das kleine Tor, das dort eine Art Eingang bildete, obwohl es keinen Zaun gab. Sie schlenderte an den Gräbern entlang. Manche Gräber waren lediglich durch verstreute Muscheln, die winzige Statue eines lachenden Buddha oder eine blau glasierte Keramikschüssel gekennzeichnet, und sie wurden nur von jenen besucht, die wussten, wo sie zu finden waren.
    Sie sah das Grab von Joel Thurlow, einem Bootsbauer, der samt Hammer an der Hüfte in einem seiner aus Zedernholz und Segeltuch gebauten Kanus statt in einem Sarg beerdigt worden war. Dorothy Watson, die über dreißig Jahre lang Lehrerin an der Schule von Sounder gewesen war, lag unter einer Bank aus Zedernholz begraben – der perfekte Ort zum Sitzen und Lesen. Zwei aus Stein gehauene Engel markierten die Gräber der Zwillingstöchter von Andrew und Ella Burns, die 1923 bei einem Bootsunfall ertrunken waren.
    Ein großer Teil des Friedhofs lag im Schatten, aber an ein paar Stellen warf die Nachmittagssonne leuchtende goldene Flecken auf das Gras. Jemand hatte auf eines der Gräber einen Krug mit frischen Calla-Lilien gestellt, die im Lauf der vergangenen Woche vom Festland mitgebracht worden sein mussten.
    Sie fand das handgefertigte Kreuz, das aus Bills Grab ragte, und blieb stehen und betrachtete es. Jim hatte den Namen seines Vaters, William Thomas Pavalak, sowie seine Lebensdaten, 1926-1968, in das Holz geschnitzt. Betty blickte sich nach einem Platz um, wo sie sich hinsetzen konnte, und ließ sich auf Dorothy Watsons Bank nieder, die gut fünfzehn Meter entfernt stand. Die Sitzfläche der Bank bestand aus dem in der Mitte gespaltenen Stamm einer roten Zeder, der seidig glatt abgeschliffen worden war.
    In der Nähe von Bills Grab standen Holunderbüsche. Betty hatte lange darüber nachgedacht. Es würde nicht zu schwierig sein, sie herauszureißen und dort ein Grab auszuheben, neben Bill. Sie wollte nichts Hochtrabendes, vielleicht eine Nootka-Rose oder einen Amerikanischen Storaxbaum mit seinen anmutigen, wohlriechenden Blüten. Es würde eine gewisse

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