Das Leuchten der Insel
und interessant, einfühlsam und großzügig – die Version von sich selbst, die zu sein sie sich ersehnte. Sie wiederum war ein Prüfstein für ihn, das emotionale Zentrum seines Lebens, und sie wusste das. Aber was wusste sie nun?
Das Schiff legte ab, und sie beobachtete, wie es hinter dem Felsvorsprung von Crane’s Point verschwand. Dicke Wolken verhängten den Horizont, und ihre Stimmung verfinsterte sich mit dem Himmel. Susannah stieg wieder in den Pick-up und fuhr nach Hause.
Das weiße Häuschen war leer, und Matts Abwesenheit war so mächtig, dass sie jeden Raum ausfüllte und sich drückend auf Susannah legte, bis sie nicht mehr atmen konnte. Katie und Quinn waren mit Lila bei Betty und kochten Brombeermarmelade ein. Susannah empfand ein verzweifeltes Bedürfnis nach einem Freund und beschloss, Jim zu suchen.
Über der Anhöhe hinter ihrem weißen Cottage sah sie Rauch aus dem schwarzen Ofenrohr aufsteigen, das aus dem Dach von Jims Hütte ragte. Jim hatte die Hütte in einem leuchtenden Königsblau gestrichen, das Susannah jedes Mal, wenn sie es sah, lächeln ließ. Schindeln aus Zedernholz bedeckten das Dach, und eine rustikale Bank aus knorrigem Wacholderholz stand neben der Eingangstür. Die Hütte war hoch und schmal und bestand aus einem Erdgeschoss mit einem Schlafzimmer unten und einem Dachgeschoss darüber.
Normalerweise ging Susannah seitlich um die Hütte zu der Tür, die erst in den Vorraum für nasse Schuhe und Kleidung führte, aber heute sah die Eingangstür mit dem leuchtenden Heidelbeerzweig in einem Krug neben der Bank so einladend aus, dass sie davon angezogen wurde und beschloss, den dorthin führenden Weg zu nehmen. Sie klopfte nicht an, sondern öffnete die Tür und ging ins Wohnzimmer, das ein Ende des großen Raums bildete, aus dem das Erdgeschoss der Hütte bestand.
Rechts von ihr stand ein kleiner Tisch und gegenüber von ihr, in der Nähe des Holzofens, eine marineblaue Couch, wo zu Susannahs Überraschung Hood auf Katie lag und sie, eine Hand auf ihrer Brust, küsste. Katies Shirt war bis über ihre Rippen hochgeschoben, und ihre Arme umschlangen Hood. Als sie hörten, wie sich die Tür öffnete, fuhren sie auseinander, und Hood sprang hoch. Katie stand auch auf und zog ihr Shirt herunter. Der oberste Knopf ihrer Jeans war geöffnet.
»Was zum Teufel geht hier vor?«, fragte Susannah, obwohl völlig klar war, was da vorging.
»Wow. Oh, wow. Tut mir leid«, sagte Hood. »Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht.«
»Wirklich?« Der Eisberg, der ein ferner Punkt am Horizont gewesen war, ragte nun riesig und bedrohlich vor Susannah auf.
»Mensch Mom, klopfst du nicht an?«, fragte Kate.
»Ich dachte, du wärst bei Betty und würdest mit deiner Großmutter Marmelade einkochen.«
»Quinn und Baker sind da«, sagte Katie. »Es war langweilig.«
»Das nehme ich an.«
Hood griff nach etwas, das auf dem niedrigen Holztisch vor der Couch lag.
Susannah ging darauf zu. »Was ist das?« Sie sah es, kurz bevor er es nahm und in seine Tasche gleiten ließ. »Ein Kondom? Mein Gott! Rumknutschen ist eine Sache. Aber hier allein zu sein mit einem Kondom, ist eine ganz andere Sache.«
»Mom! Wir haben das nicht gemacht. Wir hatten nicht vor, es zu benutzen.«
»Katie, du bist noch viel zu jung dafür. Ich weiß nicht, was du dir dabei gedacht hast.«
»Susannah«, sagte Hood. »Es ist nicht so, wirklich. Es war ein Scherz von mir.«
»Ich finde nichts witzig daran.«
»Ich weiß, ich weiß«, sagte Hood. Er stand neben der Couch, die Hände in den Taschen. »Aber es ist nicht so. Ich mag Katie wirklich. Ich meine, ich würde nicht …«
»Darauf kannst du wetten, dass du das nicht würdest!«, fauchte Susannah.
»Hören Sie«, bat Hood und räusperte sich. Sein Gesicht war rot vor Verlegenheit, und er blickte auf den Boden vor ihren Füßen. »Katie und ich haben einen Dauerwitz darüber, wie ich ›allzeit bereit‹ bin, wie irgendein Pfadfinder. Ich denke immer daran, irgendwelches Zeug mitzubringen wie ein Fernglas oder ein Schweizer Armeemesser oder Taschenlampen, wenn wir etwas machen. Als wir das letzte Mal in Friday Harbor waren, haben Baker und ich die hier mitgebracht, wissen Sie …« Seine Röte wurde noch dunkler. »Das war Teil des ›Allzeit-bereit‹-Witzes. Wissen Sie, wenn Sie hier wohnen, können Sie nicht zum Drogerieladen rennen, wenn … o nein. Egal.« Er sah zu Susannah auf. »Es war nur ein Scherz.«
Hood war ein guter Junge, das wusste Susannah. Aber
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