Das Leuchten der Insel
erwiesen, allein mit Katie zurechtzukommen. Das Marihuanagedicht und die Törtchen. Und heute habe ich sie mit Hood gefunden, und sie waren – nun ja, sie waren zusammen, zu eng zusammen. Und Matt und ich haben ernsthafte Probleme, und ich weiß nicht, ob er mit mir verheiratet bleiben will, und ich kann das nicht in Ordnung bringen, wenn ich fast fünftausend Kilometer weit weg bin.«
»Oh, Schatz!« Betty legte einen Arm um Susannahs Schultern und drückte sie. »Niemand von uns ist perfekt. Sie haben das getan, was Sie für das Beste für Ihre Kinder gehalten haben. Und es klingt, als wäre es nun das Beste für Sie und Ihre Ehe, nach Hause zu fahren. Sie tun, was Sie tun müssen.«
»Aber ich habe einige große Fehler gemacht«, bekannte Susannah.
»Ich auch«, sagte Betty. »Und ich habe eine Menge Entscheidungen in meinem Leben getroffen, die in mancherlei Hinsicht falsch zu sein schienen. Aber jetzt, nach all den Jahren, weiß ich, dass sie genau richtig waren. Und ich habe gelernt, mir meine Fehler zu vergeben.«
Bettys Mitgefühl für Susannah war echt. Sie wünschte, ihr erklären zu können, dass mit zunehmendem Alter einige der Ängste verblassten und die Freuden süßer wurden. Sie dachte an all die Qualen, die sie wegen Bill, seiner Affären, ihrer Fehlgeburten, des Umzugs nach Sounder und sogar wegen Barfuß und ihrer eigenen Untreue durchlitten hatte.
Wenn sie jetzt auf ihr Leben zurückblickte, erkannte sie, dass sie einen Mann geheiratet hatte, der ihre Ruhelosigkeit stillte, dessen eigene Ruhelosigkeit sie aber letzten Endes nicht zu stillen vermochte. Sie hatte sich mit Dingen abgefunden, die sie früher als unvorstellbar betrachtet hätte, aber aus Gründen, die wichtiger waren als ihre eigenen Sehnsüchte. Sie hatte Ehebruch begangen – etwas, das sie einst für unverzeihlich gehalten hatte –, aber sie bereute es nicht. Sie bedauerte Bills Tod aus ganzem Herzen, doch sie akzeptierte, dass sie ihn nicht willentlich herbeigeführt hatte, sondern dass es sich um eine zufällige Grausamkeit des Schicksals gehandelt hatte. Es war, wie Barfuß sagte, alles eine Frage der Perspektive, für die man sich entschied.
»Ich weiß nicht«, meinte Susannah. »Ich bezweifle, dass Sie solche Fehler begangen haben wie ich. Ich habe einmal einen Fehler gemacht, den niemand verzeihen kann.«
Betty erinnerte sich an etwas, das Barfuß vor vielen Jahren zu ihr gesagt hatte, und sie antwortete: »Verwechseln Sie nicht Schuld mit Scham. Es ist in Ordnung, wenn man sich wegen etwas, das man getan hat, schlecht fühlt. Aber lassen Sie es nicht zu, dass Sie ein schlechtes Gefühl gegenüber dem haben, wer Sie sind. Sie sind eine gute Mutter und eine gute Frau und Tochter. Ich kenne Sie lange genug, um all das zu wissen. Sie sind ein guter Mensch, Susannah! Ein wirklich wertvoller Mensch, den zu kennen sich lohnt.«
Susannahs Augen füllten sich mit Tränen, und sie legte ihren Kopf auf Bettys Schulter und weinte, wie sie seit Jahren nicht mehr geweint hatte.
26. Kapitel
Susannah 2011
A m nächsten Samstag erwachte Quinn mit Bauchschmerzen. Beim Frühstück schob er seine Eier mit der Gabel auf dem Teller herum. »Ich mag nichts essen, Mom.«
»Gut, mein Schatz.« Susannah nahm den Teller weg und legte eine Hand auf seine Stirn. Sie war warm, aber nicht heiß. »Willst du ein wenig Tee und dich auf die Couch legen und dir einen Film ansehen?«
Er nickte. Sie versorgte ihn mit einer Wärmflasche, Decken, dem Laptop und einer DVD, schob ihm ein Kissen unter und stellte einen Becher Ingwertee auf den Couchtisch neben ihn. Er drehte sich mit angezogenen Knien zusammengerollt auf die Seite. Susannah musterte ihn und empfand Unbehagen, aber sie wusste nicht, warum. In mancherlei Weise war sie erleichtert, in der nächsten Woche nach Tilton zurückzufahren, wo es Ärzte und Krankenhäuser in der Nähe gab.
Katie kam ins Zimmer. »Was fehlt dem Schildkrötenjungen denn?«
Susannah warf ihr einen scharfen Blick zu. »Er hat Bauchschmerzen. Lass ihn in Ruhe.«
Katie setzte sich Quinn gegenüber in den Sessel. »Ich muss in der nächsten Woche eine Projektarbeit in Englisch abgeben. Eigentlich sollte ich die am Wochenende fertig machen, was jedoch irgendwie sinnlos zu sein scheint, weil wir in zehn Tagen oder wann – wieder – umziehen. Das verdirbt mir meine Noten in diesem Jahr völlig, ebenso wie alles andere.«
»Das verdirbt dir deine Noten nicht«, widersprach Susannah. »Es wird alles gut mit
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