Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
Wieder eine Wegkreuzung. Ihre Gedanken
überschlugen sich. Was sollte sie tun? Die Entscheidung würde ihr ganzes Leben
verändern. Liebte sie ihn? Und wenn ja, war das die Liebe, die ein ganzes Leben
halten würde, oder war es nur die lodernde Flamme der Leidenschaft? Wie sähe
ihr Leben an der Seite von Robert Gordon aus? Wäre sie nicht immer nur seine
Begleiterin? Würde sie ihm nicht immer nur folgen, den Weg gehen, für den er sich entschied ... wie sie auch Paul
gefolgt war? Sie löste sich aus seinen Armen. „Wie ... wie stellen Sie sich das
vor, Robert?“ Er lachte und zuckte sorglos die Schultern. „Ganz einfach. Emma,
Sie machen sich viel zu viele Gedanken. Das Leben ist nicht so kompliziert.“
Hatte er Recht? War es
nicht genau das, was sie John mit auf den Weg gegeben hatte? Noch immer
rauschte und knackte die sich drehende Platte. „Aber Robert, Sie reisen viel,
sind jeden Tag woanders, schlafen jede Nacht an einem anderen Platz ...“ Warum nur suchte sie Gründe für ein
Nein?
Er nahm ihre Hand. Wie
warm, wie wunderbar warm sie sich anfühlte!, dachte sie. Ihre war auf einmal
kalt, so kalt und hart ... „Emma, ich muss nicht immer reisen.“ Wie sanft seine
Stimme war. „Ich habe einen neuen Auftrag von der Universität in Adelaide.“ Sie
zögerte, wusste nicht, was sie sagen, was sie denken, was sie fühlen sollte. Da
war nur ihre Hand in seiner warmen Hand und der Mond und die Milchstraße über
ihnen und das sanfte Rauschen der Palmen und das Wispern der Geisterbäume und
das Knacken von Carusos Platte ... „Ich möchte hier bleiben“, sagte eine
Stimme, die die ihre war.
„Aber Sie wissen doch, dass die Missionsgesellschaft einen Nachfolger
schicken wird. Sie werden in den nächsten Wochen Neumünster verlassen müssen.“
Das war auch ihr klar. Dennoch. Es gab so viel zu tun. Sie dachte an Jungalas
Augenentzündung, an Amboora und Mani und Isi. Konnte sie denn einfach so
weggehen und sie im Stich lassen?
„Interessiert es Sie
denn nicht, das Land kennen zu lernen?“, hörte sie ihn fragen. „Doch, schon,
aber ...“ Sie wollte sagen: Aber welche Aufgabe werde ich haben?, doch sie
sagte es nicht. Warum überlegte sie so lange? „Ich habe Angst“, sagte sie
schließlich, und das war die Wahrheit. „Angst, aber wovor?“ Sie atmete tief
durch. Wie sollte sie es ihm erklären? Sie wandte sich ab und sah hinauf zu den
Bäumen. „Ich habe schon einmal sehr schnell Ja gesagt.“ Ich bin Paul bis
hierher gefolgt, dachte sie, doch am Ende musste ich erfahren, dass er mich nie
geliebt hat. Sie schüttelte den Kopf.
„Emma ...“ Er sah sie
mit zärtlicher Eindringlichkeit an.
„Sie haben viel durchgemacht. Aber wollen Sie deshalb Ihr ganzes Leben
lang Angst haben? Unser Leben geht so schnell vorbei. Wir haben nicht ewig
Zeit.“ Sie begann zu zittern, sie fröstelte, dabei war es noch immer sehr warm.
Er hatte ja Recht, sie hatten nicht ewig Zeit ...
Er beugte sich zu ihr
und küsste sie. Und als sie seine Lippen spürte, als sie seine Arme fühlte und
sie sich an seinen Körper lehnte, brach ihr Widerstand zusammen, die Zweifel
und Ängste zählten in diesem Augenblick nicht mehr, und sie ließ sich auf der
Woge eines wunderbar blauen Ozeans davontreiben. Und wenn ich jetzt sterben
müsste, dachte sie noch, so wäre ich allein wegen dieses Augenblicks glücklich.
„Wir sollten
hineingehen“, sagte er, „sonst haben wir bald Zuschauer.“ Sie lachte leise und
ließ sich von ihm ins Haus ziehen. Als sich die Tür hinter ihnen schloss und
das Mondlicht sanft durch das Fenster hereinfiel, konnte sie endlich zulassen,
was sie sich damals bei der ersten Begegnung versagt hatte. Sie drängte sich an
ihn und spürte seinen muskulösen Körper, während seine Hände ihre Taille
hinaufglitten, ihre Brüste umfassten, ihr Kleid aufknöpften ... Wie sehr hatte
sie sich nach einer solchen Berührung gesehnt! Aufstöhnend ließ sie es zu, wie
seine Hand ihre Schenkel hinauftasteten, immer höher hinauf, bis sie sich
losriss und atemlos flüsterte: „Nicht hier!“ und ihn ins Gästezimmer zog.
Hastig, als bliebe ihnen nicht der Rest ihres Lebens Zeit, entkleideten sie
sich, und als sie endlich seinen nackten Körper auf ihrem spürte, erzitterte
sie. Als er in sie eindrang, fiel ein Mondstrahl auf ihr Gesicht, und da spürte
sie die Gewissheit, dass alles so hatte kommen sollen. Das ist mein Leben,
dachte sie, trunken vor Glück.
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