Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
dorthin. Irgendwann kommt er wieder hinter einem Stein hervor. Aber
warum fragst du?“
Ach, Robert, dachte sie,
warum konnte diese Nacht nicht unser ganzes Leben lang dauern? „Glaubst du,
dass der Weg, den wir gehen, einen Sinn hat?“ Überrascht sah er sie an und
schüttelte dann langsam den Kopf. „Nein, Emma, er hat keinen Sinn. Es gibt nur
den Moment, den Zufall.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und starrte vor
sich. Warum erschreckte sie seine Direktheit?
„Und unser Leben, hat es
auch keinen Sinn?“ „Emma ...“ Er seufzte. Die Zeit schien plötzlich wie
eingefroren. Er drehte sich zu ihr. Je länger und tiefer sie in seine Augen
blickte, desto weniger konnte sie darin erkennen. Ihr Blick fiel auf das
Grammophon, das stumm und plump auf dem Tisch stand, wie eine nutzlose
Maschine. Hatte es gestern wirklich mit Carusos Stimme die Nacht erfüllt ...
und sie glücklich gemacht? Warum aber war dann heute Morgen alles anders?
„Ich könnte es vielleicht einrichten, länger in der Stadt zu
...“, sagte er auf einmal. „Robert“, unterbrach sie ihn, „du würdest dich nach
kurzer Zeit gefangen fühlen.“ Der Kloß in ihrem Hals wurde immer dicker. „Warum
versuchen wir es nicht?“ „Versteh doch, ich bin schon einmal einem Mann gefolgt
...“ Er nickte langsam. „Ich will hier bleiben, Robert, bei den Menschen, und
wenn nicht hier in Neumünster, dann wenigstens in Stuart.“ „Du bist dir sicher,
dass du das willst?“ Sie holte Luft und schluckte. War sie sich wirklich
sicher? Brauchte sie vielleicht nur Zeit, um über alles nachzudenken? Sie
antwortete nicht.
„Ich wäre gern mit dir
durch dieses Land gezogen“, sagte er, und seine Stimme klang traurig, „wäre mit
dir unter dem Sternenhimmel eingeschlafen und morgens mit dir aufgewacht. Ich
hätte mich mit dir von Augenblick zu Augenblick treiben lassen.“ Ich auch,
dachte sie, aber da war noch etwas anderes, eine Pflicht vielleicht, eine
Verantwortung ... Warum ist alles so kompliziert?
Sie standen eine Weile
da und sahen zu den Bergen. Schließlich räusperte er sich. „Weißt du noch, dass
du mich gefragt hast, ob ich glücklich bin?“, fragte er. „Ja, aber du hast mich
zuerst gefragt.“ Er nickte. Sie wartete darauf, dass er weitersprach. Aber er
schwieg. „Ach, Robert“, begann sie, „ich wollte, alles wäre einfacher!“ Sie
schluckte schwer. „Ja“, flüsterte er und nickte wieder. „Ja.“ Und dann nahm er
ihre Hand und drückte sie. „Ich bin sonst nicht sentimental, Emma. Aber ...“ Er
stockte, und sein Blick hielt sie fest.
Nein, darin war keine
Leere, stellte sie fest, es war Einsamkeit, eine tiefe, traurige Einsamkeit.
„Wir werden uns wiedersehen, Emma“, sagte er, „und es wird kein Zufall sein.“
Auf einmal lächelte er, und in diesem Augenblick wusste sie, dass es so kommen
würde. „Ich sollte mich bald auf den Weg machen, damit ich nicht zu spät in
Stuart bin.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er ins Haus zurück.
Sie hätte weinen können,
aber sie unterdrückte die Tränen. Ja, wir werden uns wiedersehen ... Sie
steckte die Hand in die Tasche und fühlte den Brief. Da huschte unter einem
Stein der Lizard hervor, und seltsam, auf einmal fühlte sie sich getröstet.
„Auf Wiedersehen, Emma“, sagte er, als er ins Auto stieg. Sie stand an der
Fahrertür und dachte daran, wie sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Auch
damals zitterten ihre Knie.
„Robert?“ Er drehte sich
zu ihr. „Ja?“ Sie sah ein letztes Mal in seine braungrünen Augen. „Du sollst
wissen, dass du immer in meinem Herzen bist.“ Er nickte langsam. „Vergiss
nicht: Wir sehen uns wieder“, sagte er leise, „irgendwann.“ Dann lächelte er,
band sein rotes Halstuch um, schob sich den Hut tief in die Stirn, legte den
Gang ein und fuhr los. Sie hob die Hand, um zu winken, doch ihre Hand fühlte
sich steif an, und bald schon verhüllte eine Staubwolke das rote Auto.
Die nächsten Tage
verbrachte sie damit, ihre Sachen zu packen. Es war nicht viel, was sie
mitnehmen würde. Sie hatte ja auch nicht viel mitgebracht. Als sie das Foto von
Paul und Margarete mit den Eltern und Geschwistern betrachtete, war sie nicht
sicher, ob sie es mitnehmen sollte. Dann entschied sie, es einzupacken. Es
gehörte zu ihrem Leben. Immer wieder dachte sie an Robert. Hatte sie wirklich
die richtige Entscheidung getroffen? Bedeutete dies für ihr weiteres Leben,
dass sie immer
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