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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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Ihre
    gefallenen Brüder, ihr verschollener Vater, ihr jüngster Bruder.... Sie hätte allen Grund, nicht an das Gute
    zu glauben. Aber die Welt war doch größer! Sollte sie denn für den Rest ihres
    Lebens alles nur in düsteren Farben sehen? „Ja“, sagte sie und bemühte sich,
    ihrer Stimme jede Spur von Zweifel zu nehmen. „Ja, ich glaube an das Gute im
    Menschen.“ Sie bemerkte ein Zucken im gegerbten Gesicht ihres Gegenübers. Doch
    schon zog sich ein Lächeln darüber. „Ach, Kind, Sie sind ja noch so jung!“ Die
    Frau sah in die Ferne. Die langen Ohrringe mit den Perlen klimperten leise im
    Wind. „Wir haben alle unsere Träume.“ Wehmütig lächelnd betrachtete sie
    irgendetwas draußen auf dem Meer oder irgendwo in ihrer Erinnerung, dann drehte
    sie sich ohne ein Wort des Abschieds um und ging davon. Emma sah ihr nach,
    einer großen, hageren Frau in Schwarz, die hinkte und ihren Regenschirm als Stock benutzte. Paul
    winkte und bedeutete ihr, zu den Liegestühlen zu kommen. Er hatte den Mantel
    aufgeknöpft und sein Buch auf den Bauch gelegt. Emma fühlte sich auf einmal
    erleichtert. Sie wusste gar nicht so genau, warum. Sie ließ sich in den
    Liegestuhl fallen, streckte ihre Hand nach seiner aus und drückte sie fest.
    „Was wollte diese Dame von dir?“, fragte er. Ja, was hatte die Frau von ihr
    gewollt? Sie hatte ihr noch nicht einmal ihren Namen verraten. „Ach, nichts“,
    antwortete sie, „ich glaube, sie fühlt sich allein und ist unglücklich.“ Er
    drehte sich zur Reling am Heck, wo die Dame, auf ihren Stockschirm gestützt,
    stand und auf die weiße Spur hinuntersah, die die Britannia hinter sich herzog. „Viele Menschen sind unglücklich“,
    bemerkte er nachdenklich. Emma hörte noch die Worte in ihrem Ohr: Missionar
    – nach allem was passiert ist? Und wenn es doch ein Irrtum war, ihr
    Glaube an das Gute im Menschen? Nur Wunschdenken? Sie sah zu Paul, der seinen
    Blick über die Reisenden schweifen ließ, die an Deck standen, in Unterhaltungen
    vertieft oder auf die sich vor ihnen ausdehnende Wasserfläche blickend. Sie
    räusperte sich. „Ob die Eingeborenen in Australien bessere Menschen sind als
    – als wir?“ Er legte ihre Hand auf die Lehne zurück, als habe er
    plötzlich gemerkt, dass er die Hand einer Fremden hielt. Seine Augen verengten
    sich, und auf seiner Stirn zeigten sich Falten, die an Risse erinnerten. Sie
    fühlte sich von ihm gemustert, als suche er etwas Hintergründiges in ihrer
    Frage. Schließlich lächelte er dünn. „Wohl kaum. Ihre Sitten sind roh. Sie
    leben in einer düsteren Mythenwelt.“ Einen Moment lang war sie erschrocken,
    weil er so kämpferisch und drohend klang, doch sie wusste, es war die
    Leidenschaft für seine Aufgabe, die ihn so sprechen ließ. „Wir werden sie aus
    dieser Welt befreien.“ Er nahm sein Buch wieder auf und vertiefte sich darin. Emma
    sah zu jener Stelle, wo die Frau in Schwarz gestanden hatte, doch sie war wohl
    woandershin gegangen. Sie würde ihr während der nächsten Wochen auf See sicher
    noch öfter begegnen.
    Sie legte sich zurück
    und sah hinauf in den blauen Himmel, über den sich eine Dunstschicht wie Gaze
    gelegt hatte. Die Bilder von ihrer Abreise wurden unschärfer, an ihre Stelle
    traten jetzt andere: bemalte nackte Körper, die in ekstatischen Verrenkungen um
    lodernde Feuer tanzten, unverständliche Gesänge, sternenklare Nächte und
    heulende Rufe von jagenden Dingos. Und immer wieder Paul. Paul, der furchtlos
    auf alles hinunterblickte, der das Christentum predigte und die Wilden
    bekehrte. Sie konnte es kaum erwarten, anzukommen.
     
    3

    Jeden Morgen, nachdem sie
    mit Paul im Speisesaal Tee und Toast zu sich genommen hatte, trieb es Emma
    hinaus ins Freie. Manchmal ging sie auch vor dem Frühstück hinaus, um zu
    erleben, wie die Sonne hinter der französischen Küste auftauchte und die Berge
    gestochen scharf erscheinen ließ. Was für ein Erlebnis! Die Sonnenaufgänge! Wie
    sich die Sonne vom Festland aus blutrot und majestätisch in den Himmel erhob!
    Und die Sonnenuntergänge erst! Wenn der gigantische rote Feuerball lautlos im
    Meer versank. Seit dem Auslaufen aus dem Hamburger Hafen war das Wetter gut und
    das Meer glatt und ruhig. Und wenn sie nicht gerade auf der falschen Seite
    stand, dort, wohin der Qualm aus den Schornsteinen wehte, genoss sie die
    salzige Seeluft und den Blick auf den endlosen Atlantik.
    Noch immer waren Paul
    und Emma sich fremd. Zwar hatten sie die Hochzeitsnacht

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