Das Leuchten des Himmels
Und damit will ich nicht sagen, dass du nicht klug, fähig oder stark bist. Aber ich bitte dich dennoch, heute Nacht mit mir zu kommen. Wenn du nicht willst, werde ich hier bleiben. Aber deine Mutter könnte ein wenig Hilfe im Lodge brauchen, solange Rose ausfällt. Sie ist überarbeitet und aufgewühlt wegen deines Vaters.«
»Charlene und ich...«
»Ich komme mit meiner auch nicht zurecht, weißt du. Mit meiner Mutter. Sie spricht kaum mit mir, und meine Schwester hält sich von uns beiden fern, weil sie einfach ein angenehmes, normales Leben führen möchte. Ich kann es ihr nicht verdenken.«
»Ich wusste gar nicht, dass du eine Schwester hast.«
»Sie ist zwei Jahre älter als ich und lebt jetzt in Kentucky. Ich habe sie seit... fünf Jahren nicht mehr gesehen. Die Burkes sind nicht gerade berühmt für ihre Familientreffen.«
»Sie ist nicht einmal gekommen, als du verwundet warst?«
»Sie hat angerufen. Wir haben einander nicht viel zu sagen. Als Jack umgebracht und ich angeschossen wurde, kam meine Mutter auf Besuch zu mir ins Krankenhaus. Ich dachte und habe sogar gehofft, dass all dieses Entsetzen vielleicht doch auch etwas Gutes hatte. Ich glaubte daran, dass wir wieder einen Weg zueinander finden würden. Aber sie bat mich nur, doch jetzt aufzuhören. Würde ich nicht meinen Dienst bei der Polizei quittieren, müsste sie mich vermutlich das nächste Mal am Grab und nicht am Krankenbett besuchen. Ich sagte ihr, nein, denn das sei alles, was mir noch geblieben sei. Sie ging wortlos hinaus. Und seitdem haben wir kaum mehr als ein Dutzend Worte miteinander gewechselt. Der Job hat mich meinen besten Freund, meine Frau, meine Familie gekostet.«
»Nein, hat er nicht.« Sie konnte nicht anders, als seine Hand zu nehmen und an ihre Wange zu führen. Dort zu reiben. »Du weißt, dass das nicht stimmt.«
»Kommt ganz auf den Blickwinkel an. Aber ich habe ihn nicht aufgegeben. Ich bin hier, weil mein Job, selbst als ich am Boden
war, mir als Einziges geblieben ist. Vielleicht hat er mich davor bewahrt, bis ganz unten zu sinken. Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass du eine Chance hast, mit deiner Mutter eine Art Frieden zu schließen. Du solltest sie nutzen.«
»Sie hätte mich fragen können, ob ich ihr helfe.«
»Das hat sie. Ich bin nur das Sprachrohr.«
Mit einem Seufzer drehte sie sich um und verpasste dem Spülschrank gereizt einen kleinen Tritt. »Ich werde eine Zeit lang einspringen, aber bau bloß nicht darauf, dass es dann heißt: Und von da an lebten sie glücklich und zufrieden.«
»Darüber sollten wir uns keine Gedanken machen.«
Er setzte sie wenig später vor dem Lodge ab und kehrte in die Polizeistation zurück.
Es dauerte eine Weile, bis er sich Notizen über die mit Otto und John geführten Gespräche gemacht hatte, dann überprüfte er die Namen der Piloten, die Otto ihm genannt hatte.
Bei Stokey Loukes fanden sich keine Straftaten, nicht viel mehr als ein paar Verkehrsverstöße. Er lebte jetzt in Fairbanks und war als Pilot bei einem Reiseunternehmen angestellt, das Alaska Wild hieß. Die Website versprach den Kunden, ihnen das echte Alaska zu zeigen, reiche Beute bei der Jagd auf Tiere zu machen, riesige Fische an die Angel zu bekommen und die Szenerie des Großen Einsamen einzufangen. Alles zu verschiedenen Paketpreisen, Gruppenrabatt möglich.
Fieldings war 1993 nach Australien ausgewandert und vier Jahre später eines natürlichen Todes gestorben.
Thomas Kijinski, alias Two-Toes, war hingegen eine andere Geschichte. Nate fand mehrere Verhaftungen wegen illegalen Drogenbesitzes und der Absicht, diese zu verteilen, wegen Trunkenheit und ungebührlichen Verhaltens, kleinerem Diebstahl. Man hatte ihn aus Kanada ausgewiesen, und zwei Mal hatte man ihm seine Pilotenlizenz entzogen.
Am 8. März 1988 hatte man seine Leiche mit mehreren Stichwunden in einer Abfalltonne an einem Dock von Anchorage gefunden. Seine Brieftasche und seine Uhr fehlten. Schlussfolgerung: Raubüberfall. Der oder die Übeltäter wurden nie gefunden.
Wenn man das Ganze aber anders beleuchtete, überlegte Nate,
als er die Daten ausdruckte, dann war das kein Raubüberfall mehr, sondern eine Säuberungsaktion. Der Pilot bringt drei hoch und zwei wieder zurück. Ein paar Wochen später wird der Pilot erstochen und in den Müll gestopft.
Da konnte man nicht so einfach drüber hinweggehen.
Da alles um ihn herum ruhig war, deckte er seine Falltafel auf. Er brühte sich Kaffee und holte eine Dose Schinken aus
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