Das Leuchten des Himmels
mir erzählt, dass Galloway auch ein paar Artikel für The Lunatic geschrieben hat – damals, in den Anfangsjahren.«
»Er konnte gut schreiben. Und er hätte noch besser sein können, wenn er sich darauf konzentriert hätte.«
»Vermutlich trifft das auf alles in seinem Leben zu.«
»Er besaß viel ungeformtes Talent, auf verschiedenen Gebieten.« John warf einen Blick über seine Schulter, in Richtung Charlene. »Aber er hat sich nie dahinter geklemmt. Er hat seine Fähigkeiten vergeudet.«
»Auch seine Frau?«
»Was dieses Thema angeht, bin ich voreingenommen. Meiner Meinung nach hat er sich in seiner Beziehung nicht besonders angestrengt, woanders aber auch nicht. Es existierten von diversen Romanen ein paar Kapitel, dutzende halb fertiger Songs und jede Menge Holzobjekte, an denen er die Lust verloren hatte. Der Mann war sehr geschickt mit seinen Händen und ein kreativer Kopf, hatte aber weder Disziplin noch Ehrgeiz.«
Nate ging die Möglichkeiten durch. Drei Männer, verbunden durch die Örtlichkeit, die Berufung – das Schreiben – und das Bergsteigen. Und zwei von den dreien verliebt in dieselbe Frau.
»Vielleicht hätte er das Ruder herumgerissen, wenn er die Chance dazu gehabt hätte.«
John gab Jim ein Zeichen, sein Glas nachzufüllen. »Möglich.«
»Haben Sie das Zeug gelesen?«
»Habe ich. Wir saßen bei einem Bier oder sonst einer Entspannungsdroge zusammen«, fügte John mit einem angedeuteten Lächeln hinzu. »Und diskutierten über Philosophie und Politik, die Schriftstellerei und die menschliche Existenz. Junge Intellektuelle.« John hob sein Glas zu einem Toast. »Die auf dem Weg ins absolute Nichts waren.«
»Sind Sie mit ihm in die Berge gegangen?«
»Ach ja, Abenteuer. Junge Intellektuelle, die nach Alaska kommen, sind immer auf der Suche danach. Ich habe diese Zeiten genossen und würde sie nicht gegen einen Pulitzer-Preis eintauschen wollen.« Das Lächeln, mit dem er seinen frisch eingeschenkten Whiskey trank, spiegelte stolz den vergangenen Glanz.
»Dann waren Sie beide also befreundet?«
»Ja. Wir waren Freunde, jedenfalls auf dieser intellektuellen Ebene. Ich beneidete ihn um seine Frau, das war kein Geheimnis. Ich glaube, es hat ihn amüsiert und gab ihm das Gefühl, mir ein wenig überlegen zu sein. Ich war der Gebildete. Aber ihm war diese höhere Bildung völlig schnuppe, denn was hatte ich schon vorzuweisen?«
John stierte in sein Glas. »Ich glaube, es amüsiert ihn noch immer, dass ich ihn weiterhin um seine Frau beneide.«
Nate ließ das sacken und trank seinen Kaffee. »Sind Sie beide denn mit einer Gruppe hochgestiegen oder allein?«
»Hm?« John blinzelte wie ein Mann, der gerade aus einem Traum erwacht. Erinnerungen, überlegte Nate, waren auch eine Art von Traum. Oder Albtraum. »In Gruppen. Auch im Wahnsinn herrscht Kameradschaft. Am besten kann ich mich an eine Sommerbesteigung des Denali erinnern. Gruppen und Einzelgänger, die sich wie Ameisen auf einem Kuchen ihren Weg hoch auf dieses Ungeheuer suchten. Das Basislager war eine kleine Stadt für sich und voller Irrer.«
»Sie und Pat?«
»Hm, zusammen mit Jacob, Otto, Deb und Harry, Ed, Bing,
Max, den Hoppsens und Sam Beaver, der vor zwei Jahren an einer Lungenembolie gestorben ist. Ach ja, und dann war auch noch Mackie dabei, wenn ich mich recht erinnere. Er und Bing schlugen sich wegen irgendwas die Köpfe ein, und Hopp – der verstorbene Hopp – schlichtete. Auch Hawley war dabei, aber er kippte besoffen um und schlug sich seinen Kopf an. Wir ließen ihn nicht mit hochsteigen. Und dann war da auch noch Missy Jacobson, eine freischaffende Fotografin, mit der ich eine kurze, heiße Affäre hatte, ehe sie wieder zurück nach Portland ging und einen Installateur heiratete.«
Dabei lächelte er. »Ach ja, Missy, mit ihren großen braunen Augen und den geschickten Händen. Wir aus Lunacy zogen los, als ging’s in die Ferien. Sogar eine kleine Fahne hatten wir dabei, die wollten wir auf dem Gipfel aufziehen, um Fotos davon für die Zeitung zu machen. Aber keiner von uns schaffte es bis dahin.«
»Keiner von Ihnen?«
»Nein, damals nicht. Pat hat es später geschafft, soweit ich mich erinnere, aber bei dieser Besteigung waren wir vom Pech verfolgt. Doch in jener Nacht im Basislager lag alles vor uns, und wir waren wild entschlossen. Wir sangen, bumsten und tanzten unter diesem wunderbaren, endlosen Sonnenlicht. So lebendig, wie wohl kaum einer von uns je gewesen ist.«
»Was ist
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