Das Leuchten des Himmels
jemand Stunden später die Station anrufen, würde der Anruf auf sein Telefon umgeleitet.
Er hätte es vorgezogen, in aller Ruhe allein auf seinem Zimmer zu essen, damit sein Gehirn sich von all den Kleinigkeiten befreien konnte, die den ganzen Tag über hineingestopft worden waren. Und weil er auch am liebsten allein war.
Aber er würde es in dieser Stadt nicht weit bringen, wenn er sich isolierte, also schlüpfte er in eine leere Nische des Lodge.
Er konnte das Klacken der Billardkugeln und die wimmernde Countrymusik aus der Jukebox im nächsten Raum hören. Einige Männer hockten auf Barstühlen, tranken Bier und verfolgten im Fernsehen ein Hockeyspiel. Der Restaurantbereich war halb voll und wurde von einer Bedienung versorgt, die er noch kennen lernen musste.
Der Mann, den Hopp ihm als den Professor vorgestellt hatte, bahnte sich zwischen den Tischen hindurch seinen Weg zu Nates Nische.
Aus der Tasche seines Tweedjacketts linste der Ulysses , in der Hand hielt er einen Bierkrug. »Darf ich mich zu Ihnen setzen?«
»Aber gern.«
»John Malmont. Wenn Sie nur was trinken wollen, geht’s an der Bar schneller. Wenn Sie aber was essen wollen, kommt Cissy in einer Minute zu Ihnen.«
»Ich möchte was zu essen, aber in Eile bin ich nicht. Ganz schön voll heute Abend. Ist das immer so?«
»Es gibt nur zwei Orte, wo es was Warmes zu essen gibt, wenn man nicht selbst kochen möchte. Und nur einen, wo man Alkohol bekommt.«
»Ja, das beantwortet meine Frage.«
»Die Einwohner von Lunacy sind ziemlich gesellig – auf jeden Fall untereinander. Bedenkt man noch, dass Ferien sind, gibt das volle Tische. Der Heilbutt ist gut heute Abend.«
»Ja?« Nate nahm sich die Speisekarte vor. »Leben Sie schon lange hier?«
»Inzwischen sind es sechzehn Jahre. Ursprünglich komme ich aus Philadelphia«, nahm er die Frage vorweg. »Ich habe an der Carnegie Mellon University gelehrt.«
»Was haben Sie unterrichtet?«
»Englische Literatur für ehrgeizige junge Köpfe. Wovon viele sich in der angenehmen Position gefielen, die längst verstorbenen weißen Männer zu sezieren und zu kritisieren, zu deren Studium sie gekommen waren.«
»Und jetzt?«
»Jetzt unterrichte ich gelangweilte Teenager in Literatur und Komposition. Nicht wenige von ihnen würden sich lieber untereinander befummeln, als die Wunder des geschriebenen Wortes erforschen.«
»Hallo, Professor.«
»Cissy. Chief Burke, darf ich Ihnen Cecilia Fisher vorstellen.«
»Freut mich, Cissy.« Sie war dürr wie eine Bohnenstange mit kurzen, borstigen Haaren in verschiedenen Rottönen und einem in die linke Augenbraue gepiercten Silberring.
Sie strahlte ihn an. »Mich auch. Was darf ich Ihnen bringen?«
»Ich hätte gern den Heilbutt. Er soll gut sein, habe ich gehört.«
»Das ist er.« Sie kritzelte auf ihren Block. »Wie möchten Sie ihn zubereitet?«
»Gegrillt?«
»Gut. Dazu bekommen Sie einen Salat des Hauses mit Dressing nach Wahl. Das Hausdressing ist was Besonderes. Big Mike macht es selbst.«
»Das hätte ich gern.«
»Sie haben die Wahl zwischen Bratkartoffeln, Kartoffelbrei, Pommes und wildem Reis.«
»Ich nehme den Reis.«
»Bekommen Sie was zu trinken?«
»Kaffee, bitte.«
»Ich bringe die Sachen gleich.«
»Nettes Mädchen«, bemerkte John und rieb seine Brillengläser rasch mit seinem schneeweißen Taschentuch blank. »Sie ist vor ein paar Jahren in die Stadt gekommen und hing hier mit einer Clique herum, die Bergsteigen ging. Der Junge, mit dem sie beisammen war, hat sie geschlagen und mit nichts weiter als ihrem Rucksack sitzen lassen. Sie hatte kein Geld, um nach Hause zu fahren, sagte, sie wolle überhaupt nicht mehr zurück. Charlene hat ihr ein Zimmer und Arbeit gegeben.«
Er trank sein Bier. »Eine Woche später kam der Junge wieder zurück zu ihr. Charlene hat ihn fortgejagt.«
»Charlene?«
»Sie hat eine Doppellaufflinte hinten in der Küche. Der Junge beschloss, die Stadt ohne Cissy zu verlassen, nachdem er eine
Minute lang in diese Läufe geblickt hatte.« John drehte seinen Kopf, und für einen Augenblick verwandelte sich die Belustigung in seinen Augen in Verlangen.
Nate sah das Objekt desselben mit einer Kaffeekanne durch den Raum schweben.
»Nun seht euch das an. Die zwei attraktivsten Männer Lunacys an einem Tisch.« Charlene schenkte Nate Kaffee ein und drückte sich dann behaglich neben ihm in die Nische. »Und worüber unterhaltet ihr beiden euch?«
»Natürlich über eine schöne Frau.« John griff nach
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