Das Leuchten
spritzte gerade die Solarmembranen ab, die zwischen die Drahtseile gespannt waren, um Sonnen- und Windenergie einzufangen.
Ich fuhr zwischen die festgemachten Boote und rief: »Soll ich dich vielleicht abschleppen?«
Jibby hob seinen strubbeligen blonden Kopf und schenkte mir ein breites Zahnlückengrinsen. »Du Leuchtstab hast mir gerade noch gefehlt.«
»Ich leuchte nicht.« Ich steuerte mein Board mitten in eine Welle und schaltete gleichzeitig den Motor aus, damit eine Gischtwoge über ihn schwappte.
Gelächter und Beifall waren zu hören, und ich sah mehrere junge Männe r – alles neue Siedler wie Jibb y – vor dem Steuerhaus des Schiffes faulenzen. Als ich ihnen zuwinkte, sprang Jibby auf den Anlegesteg.
»Wo willst du hin?«, fragte ich und ergriff seine ausgestreckte Hand.
Er zog mich mitsamt meinem Mantaboard auf den Steg. »Nach Paramus«, antwortete er. »Die Outlaws haben dafür gesorgt, dass es hier auf der Station so gut wie nichts mehr gibt. Wir wollen mal sehen, was wir dort zusammenschnorren können. Kommst du mit?«
»Kann nicht.« Ich klappte die Flossen des Mantaboards ein, damit ich es besser tragen konnte. »Ich muss mit dem Ranger sprechen.«
»Viel Glück. Er ist unten bei der Gemeindeversammlung.«
»Weshalb bist du nicht dort?«, fragte ich überrascht. Ich brannte darauf zu hören, was es mit der Verlautbarung von höchster Dringlichkeit an alle Bewohner der Unterseeischen Gebiete auf sich hatte, die auf Plakaten an der Handelsstation angekündigt war.
»Wenn ich in meinen vier Wänden sitzen und quasseln wollte«, entgegnete Jibby, »dann würde ich immer noch in einer Schachtelstadt leben.« Ein leichtes Grinsen umspielte seine Lippen. »Ranger Grimes wird noch stundenlang in dieser Versammlung sitzen. Deine Eltern auch. Komm mit. Wir verstauen dein Mantaboard und gehen Wellenreiten.«
»Klingt verlockend, aber ich kann trotzdem nicht. Ich muss jemandem helfen.« Auf keinen Fall wollte ich Gemma Jibby gegenüber erwähnen, der war nämlich gerade auf Brautsuche. Im letzten Jahr hatte er sich sogar eine Frau bestellt, aber als sie dann angekommen war, wollte er sein Geld wiederhaben, weil sie älter war als seine Großmutter.
»Jemandem?«, fragte er, und schon war sein Interesse geweckt.
»Ty!« Von der Stelle des Anlegerings, wo es von Menschen nur so wimmelte, winkte mir Gemma mit beiden Armen zu. So viel zu meinem Versuch, sie vor den anderen zu verstecken.
Sie hatte ihr Boot zwischen einer feuerfarbenen Leiter und der Tür zur Lounge abgestellt, was ein hochtrabender Name für einen leeren Raum am Oberdeck war, in dem nur Schränke und Bänke standen. Fischer scharten sich um sie, alle mit nacktem Oberkörper, dick bestrichen mit Zinksalbe in verschiedenen Farbe n – Orange, Grün, Bla u –, um ihre Haut vor der Sonne zu schützen.
Jibby pfiff anerkennend, strich sein feuchtes Haar zurück und ging langsa m – er würde sagen lässig elegan t – auf Gemma zu. Da mir nichts anderes übrig blieb, schwang ich das Mantaboard über die Schulter und folgte ihm. Wir erreichten Gemma, als sich die Gruppe von Fischern um sie herum gerade auflöste. Der Letzte gab ihr ein eingeschweißtes Foto zurück und sagte: »Den kenne ich nicht.«
»Das Bild ist schon alt!«, rief sie dem Mann nach. »Stellen Sie sich vor, wie er als Erwachsener aussehen würde!«
»Hey, wie geht’s, wie steht’s?«, gurrte Jibby und baute sich direkt vor Gemma auf.
Gemma warf einen Blick über die Schulter, als wollte sie nachsehen, wen er gemeint hatte. Das verwunderte mich. Sie musste doch merken, dass er sie anbaggerte und nicht einen der verschwitzten, cremeverschmierten Fischer. Zugegeben, es waren auch Frauen unter ihnen, aber wer konnte sie schon auseinanderhalten, wo doch alle von den Zehen bis zu den Haarspitzen mit Zinksalbe, Schmutz und Fischschuppen bedeckt waren? Zögernd stellte ich die beiden einander vor.
»Du bist also der Jemand «, sagte Jibby zu Gemma und zwinkerte mir zu.
»Ich hoffe es«, antwortete sie. »Normalerweise bin ich eine von Millionen Jemanden.«
»Willkommen im Benthic-Territorium, Gemma.« Er streckte ihr die Hand hin. »Hier bist du nicht nur Jemand, sondern eine echte Rarität.«
Sie zog die Brauen hoch, als wüsste sie nicht recht, was sie dazu sagen sollte. Ich schaute weg und sog den Salzgeruch des Ozeans ein, was die Schmerzen hinter meinen Augen etwas linderte. Komisch, bei mir war sie kein bisschen verlegen gewesen. Mich hatte sie gleich mit ihrer
Weitere Kostenlose Bücher