Das Leuchten
Rücken.
»Sie hat keine Ahnung, wie cool Meerestiere sind«, fuhr ich fort. »Es ist nicht ihre Schuld.«
Zoe dachte über meine Worte nach, warf Gemma einen vernichtenden Blick zu und stolzierte dann zur Küche hinaus, während sich der Oktopus wie ein kleines Kind an sie klammerte. Ich entspannte mich wieder.
Hewitt, der immer noch auf dem Tisch kauerte, starrte Gemma an. »Bist du verrückt? Du darfst Zoe nicht wütend machen. Niemals.«
»Was habt ihr bloß?«, wunderte sich Gemma.
»Zoe kämpft nicht immer mit fairen Mitteln«, antwortete ich leise.
»Ja und?«, sagte Gemma verächtlich. »Im letzten Jahr habe ich in einer Unterkunft mit mehr als hundert Mädchen gewohnt. Die Große Flut war nichts gegen die Tränen, die dort vergossen wurden. Ganz zu schweigen von den Kämpfen. Da kann ich es ja wohl mit einer Neunjährigen aufnehmen.«
»Du bist tough, ich weiß.« Ich sah Hewitt an, der offensichtlich das Gleiche dachte wie ich: Wenn man Zoff mit Zoe hatte, war es egal, ob man tough war oder nicht.
Wir gingen zurück in das feuchte Wohnzimmer, wo wir die Stühle um einen tragbaren Heizofen stellten und uns wärmten, während von der Decke unablässig Wasser tropfte.
»Ich weiß nicht, warum sie sich so viel Mühe gibt, die Pflanzen aus dem Gewächshaus zu retten«, maulte Hewitt. »Wir sollten einfach nach oben ziehen.«
Zoe gesellte sich zu uns. Sie hatte immer noch den Oktopus bei sich, obwohl sie ihn jetzt in ein Gefäß mit Wasser gelegt hatte. Sie blickte Gemma finster an, die sich die Hände über dem kleinen Ofen rieb. Hewitt sah missmutig zu Sharon, die gerade die Treppe herunterkam. In der Hand hielt sie lange Stangen, um die Pflanzen im Gewächshaus hochzubinden.
»Deine Eltern ziehen nicht um, nur weil das Haus ein bisschen unter Wasser stand«, sagte ich und ließ mich auf den Stuhl neben Gemma fallen.
»Die Seablite-Gang hat uns angegriffen!«
»Woher hat die Bande eigentlich diesen Namen?«, wollte Gemma wissen.
Die Antwort erhielt sie vom Doc, der in diesem Moment mit einem Putzeimer hereinkam. »Sie heißen so, weil sie aus einem Gefängnis namens Seablite ausgebrochen sind.«
Ich blickte überrascht auf. »Woher wissen Sie das?«
»Ich habe damals in der Entwicklungsabteilung für neue Konzepte gearbeitet. Wir wollten das Wohnungsproblem lösen. Das war noch, ehe mein Ruf ruiniert war.« Er hatte das leichthin gesagt, aber sein Lächeln wirkte aufgesetzt. »Ich habe damals die Gesundheit von Leuten überwacht, die in einer experimentellen Wohnanlage lebten. Das war Seablite.« Er hob die Hände. Über jede Handfläche zog sich eine lange Narbe. »Und das war das Messer eines Bewohners.«
Zoe sprang auf, um sich die Narben anzusehen. Ich blieb, wo ich war. Vor Jahren hatte mir der Doc erzählt, wie es dazu gekommen war und dass er nicht mehr operieren konnte, weil alle Sehnen durchtrennt waren. Aber er hatte mir nie gesagt, in welchem Gefängnis das passiert war.
»Heißt das, Tupper setzt uns unter Druck, damit wir entlaufene Sträflinge fangen?«, fragte ich voller Abscheu.
»Nicht irgendwelche Sträflinge.« Der Doc zog einen Stuhl zu sich heran. »Diese Leute sind so gefährlich und irre, dass man sie in ein Versuchsgefängnis gesperrt hatte.«
»Versuchsgefängnis?«, fragte Gemma.
»Seablite war das erste und einzige Gefängnis, das jemals unter Wasser gebaut wurde«, erklärte der Doc. An mich gewandt sagte er: »Du bist bestimmt schon tausendmal darüber hinweggeschwommen.«
»Wie bitte?«, fragte ich ungläubig. »Wo ist es?«
»Es liegt auf halbem Weg zwischen diesem Haus und der Handelsstation. Es ist das Gebäude, das früher mal ein wissenschaftliches Labor beherbergte. Jedenfalls hat man das der Öffentlichkeit weisgemacht.«
»Wo jetzt das Schild mit der Aufschrift Vorsicht, baufällig! steht?«, fragte ich weiter. Das plumpe, zweigeschossige Haus war so unscheinbar, dass ich ihm nie viel Beachtung geschenkt hatte.
»Genau das«, bestätigte der Doc.
Meine Empörung wuchs. »Und warum bezeichnete man es dann als wissenschaftliches Laboratorium?«
Der Doc zog eine Augenbraue hoch. »Was, glaubst du, hätten die Siedler getan, wenn sie gewusst hätten, dass die Regierung in ihren Territorien ein Hochsicherheitsgefängnis errichtet hat?«
Das war eine rhetorische Frage, doch ich antwortete ihm trotzdem.
»Sie hätten dagegen protestiert.« Wieso überraschte es mich immer wieder aufs Neue, wenn uns die Regierung hinters Licht führte?
»Wir müssen
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