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Das Leuchten

Das Leuchten

Titel: Das Leuchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Falls
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jetzt los!«, rief Dad von der Tür aus.
    »Warte noch!«, bettelte Zoe. »Ich möchte die Geschichte von dem Ausbruch hören.«
    »Von welchem Ausbruch?«, fragte Sharon, die mit einer eingetopften Tomatenpflanze in der Hand neben Dad aufgetaucht war.
    »Die Seablite-Gang ist keine gewöhnliche Verbrecherbande«, erklärte ihr Hewitt. »Der Doc sagt, es sind entlaufene Irre und dass wir hier unten nicht vor ihnen siche r …«
    »Wie haben sie das geschafft, Doc?«, fragte ich, um Hewitt das Wort abzuschneiden. »Auszubrechen, meine ich.«
    Dad und Sharon gesellten sich zu uns, offenbar waren sie genauso neugierig wie wir.
    »Tja, das ist das Unheimliche an der Sache.« Der Doc lehnte sich in seinem Stuhl zurück und starrte auf die glühenden Heizspiralen. »Das weiß niemand. Eines Nachts war im ganzen Gefängnis der Strom we g – etwa so wie hier im Haus. Gleichzeitig fielen die Wachen in einen tiefen Schlaf. Aber man hat sie nicht unter Drogen gesetzt. Ich habe sie selbst untersucht.«
    »Ich wette, die Gangster haben ihnen kräftig eins über den Kopf gezogen«, vermutete Zoe.
    »Das bezweifle ich«, erwiderte der Doc ernst. »Die Wachen hatten keine Beulen, keinen Kratzer. Und als sie aufwachten, sagten sie, es gehe ihnen gu t – und das war genau zwanzig Minuten später. Sie schlugen alle im selben Moment die Augen auf. Zuerst haben sie gar nicht gemerkt, dass die Gefangenen geflohen waren. Die Tür zur Hauptzelle war noch immer verschlossen. Und hinter ihr lagen zwei weitere verriegelte Türen. Keine war auch nur im Geringsten beschädigt.«
    Alle hatten sich vorgebeugt und hörten aufmerksam zu, unsere Gesichter glühten in dem orangefarbenen Licht der Notbeleuchtung.
    »Und die Überwachungskamera s … das war eigenartig«, fuhr der Doc nachdenklich fort. »Die Kameras zeigten für zwanzig Minuten ein Standbild, dann filmten sie weiter, als ob nichts geschehen wäre.«
    Sharon blickte ihn entsetzt an. »Das ist eine Gruselgeschichte, nicht wahr, Doc? Damit wollen Sie den Kindern nur Angst einjagen.«
    »Jedes Wort ist wahr.« Er hielt seine verletzte Hand hoch, als wollte er einen Eid darauf schwören. »Vor fünf Jahren ist die Seablite-Gang ausgebrochen, und bis heute weiß niemand, wie sie das geschafft hat.«
    Gemmas Augen leuchteten auf. »Vielleicht hat einer von ihnen eine Dunkle Gabe. Oder sogar alle. Sie haben doch unter Wasser gelebt, nicht wahr?«
    »Darüber habe ich auch schon nachgedacht«, erwiderte der Doc. »Vielleicht haben sie irgendwelche Fähigkeiten entwickelt, die bisher unbekannt sind.«
    Dad wurde ungehalten. »Mit solchen Geschichten setzt man nur Gerüchte in die Welt.«
    »Wir reden hier von Erwachsenen«, wandte ich ein. »Bei dieser albernen Theorie ging es um Kinder.«
    »Und wenn es nicht bloß eine Theorie wäre?«, fragte der Doc. »Bisher hatte noch keiner eine bessere Erklärung dafür, wie diese Verbrecher entfliehen konnten.« Er sah Zoe an. »Wie steht’s mit dir, Engel? Hast du auch einen Trick drauf und zeigst ihn uns mal?«
    Zu meinem Entsetzen blickte Zoe mich an, als wollte sie mich um Erlaubnis bitten. Natürlich folgten alle ihrem Blick.
    »Vergiss, was ich gesagt habe, kleine Krabbe.« Ich gab mir Mühe, locker zu klingen, aber ich hätte meine Schwester erwürgen können. »Du hast eine besondere Gabe und es gibt keinen Grund, sie zu verstecken.«
    Hewitt riss den Mund sperrangelweit auf.
    »Wirklich?«, fragte Zoe.
    »Klar doch«, sagte ich. »Warum nicht? Zeig ihnen, was du kannst. Aber gib mir nicht die Schuld, wenn alle loskreischen.«
    Zum ersten Mal in ihrem Leben war Zoe verlegen, weil sie im Mittelpunkt stand.
    »Was kann sie denn?«, fragte der Doc und setzte sich wieder aufrecht hin.
    Ich zuckte mit den Schultern. »Es gibt nicht viele Menschen, die wie si e … die Nasenspitze mit der Zunge berühren können.«
    Hewitt und Gemma jaulten auf, während Dad schallend lachte.
    »Siehst du? Ich hab’s dir ja gesagt, das interessiert keinen.« Ich versuchte, meine Schwester mit einem scharfen Blick zur Vernunft zu bringen. »Es gibt Begabungen, die sollte man lieber für sich behalten.«
    Doc war der Einzige, der nicht lachte. Er betrachtete Zoe aufmerksa m – zu aufmerksam.
    Ich fing Zoes Blick auf und nickte kaum merklich in Richtung Doc. Zoe lächelte weiter wie die Unschuld in Person, während sie ihre außergewöhnlich lange Zunge herausstreckte und damit ihre Nasenspitze berührte. Ein Chor von »Iiih!«, »Nicht!« und »Lass das!«

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