Das Lexikon der daemlichsten Erfindungen
der Rutengänger oder Dowser, wie sie in den USA heißen. Sie erlebten einen Auftragsboom. Was ist dran am Wasserfinden mit der Wünschelrute oder anderen sogenannten radiästhetischen Hilfsmitteln?
In Mitteleuropa lässt sich dazu nur schwer etwas sagen, denn hier ist die Trefferquote der Rutengänger schon deshalb sehr hoch, weil es kaum möglich ist, einen x-beliebigen Ort zu finden, an dem man bei Bohrungen nicht auf Wasser stoßen würde. In Wüstenregionen sieht es allerdings schon ganz anders aus. Dass auch hier Rutengänger oft einen Volltreffer landen, veranlasst immerhin Großfirmen wie Siemens vor der Errichtung von Industrieanlagen, die Dienste der Radiästhesisten in Anspruch zu nehmen oder sie gar fest anzustellen.
Wissenschaftliche Tests allerdings haben ergeben, dass Rutengänger oder auch Pendler nicht in der Lage sind, unterirdische Wasserläufe mit mehr als statistischer Wahrscheinlichkeitzu orten, zumindest dann nicht, wenn diese zuvor eigens für Testzwecke verlegt worden sind, etwa in Gestalt von Kunststoffwasserrohren. Eine der letzten dieser Studien wurde 2004 drei Tage lang in Kassel durchgeführt. Hier machte man es den Rutengängern besonders leicht: In nur 50 Zentimeter Tiefe wurden Rohrleitungen vergraben und deren Verlauf an der Erdoberfläche mit Fähnchen gekennzeichnet, es sollte lediglich festgestellt werden, ob durch das jeweilige Rohr gerade Wasser fließt oder nicht. Alle 30 beteiligten Rutengänger hielten diesen Test für fair und sagten – jeder für sich – Trefferquoten von 100 Prozent voraus. Das Ergebnis war ernüchternd. Ihr Erfolg war nicht höher als statistisch zu erwarten war.
Nun könnte man allerdings ins Feld führen, dass es dennoch erfolgreiche Radiästhesisten geben könne, dann nämlich, wenn diese gar nicht auf irgendwelche geheimnisvollen Emanationen des Wassers ansprechen, sondern unbewusst aufgenommene Signale aus der Natur auswerten würden. Menschen, die lange in der Wildnis leben, dürften durchaus derartige Fähigkeiten entwickeln. Solche Signale können etwa geringe Bodenverfärbungen, feinste lokale Veränderungen im Pflanzenwuchs, gehäuftes Vorkommen von Bodeninsekten, Körnigkeit oder Verbackungen des Erdreichs usw. sein, die sich alle gemeinsam zu dem gefühlten Eindruck verdichten: An einem Ort wie diesem muss es unterirdisch Wasser geben. Wenn dem so wäre, was würde dann den oft starken Rutenausschlag bewirken?
Die Wissenschaft hat dafür eine Erklärung: den Carpenter-Effekt. 1852 beschrieb ihn erstmals der britische Arzt und Naturforscher William Benjamin
Carpenter. Er hatte festgestellt, dass allein die Vorstellung einer bestimmten Bewegung Muskelströme auslöst, die dazu führen, die entsprechende
Muskulatur minimal zu bewegen. Diese für den Menschen selbst nicht wahrnehmbaren Mikrobewegungen genügen allerdings, um einlabiles
Gleichgewicht, wie die unter erheblicher Spannung stehende Wünschelrute, zum Kippen zu bringen, sie schlägt aus. Äußere physikalische Kräfte sind dann
nicht erforderlich.
Eine kreisförmige Skala ist alles: Sie gilt Radiästheten als Messinstrument!
Dieser Erklärung schließt sich die Mehrzahl der Rutengänger aber keineswegs an, denn sie sind von der Objektivität ihrer Methode überzeugt. Der
Carpenter-Effekt dagegen stelle ein rein subjektives Phänomen dar. Zur wissenschaftlichen Begründung ihrer Arbeit bedienen sich die Radiästhesisten
dagegen seit eh und je einer Scheinwissenschaftlichkeit und physikalisch klingender Begriffe wie Energie, Strahlung oder Partikelstrom. Weil sich diese
angeblichen Größen aber physikalisch nicht nachweisen, geschweige denn messen lassen, werden sie oft als »feinstofflich«, »mental« oder als
»Fernwirkungen« umschrieben. Tatsache ist, derartige physikalische Größen gibt es nicht. Und genau hierkommt eine dämliche Erfindung ins
Spiel: die Bovis-Skala. Wer behauptet, etwas messen zu können, braucht vor allem auch eine Skala für die zu messende Größe. Und die schuf in diesem Fall
ein französischer Radiästhesist und Kesselschmied namens Bovis, dessen Vorname Anton, Antoine, Alfred oder André war und der aus Nizza stammte. Er
behauptete, die feinstoffliche Energie beziehungsweise Lebensenergie exakt messen und in Einheiten seiner Bovis-Skala angeben zu können. Die definierte er
in Ångström. Nun ist Ångström in der Physik als Längenangabe bekannt (1 Å = 10 -10 m). Das irritiert natürlich, denn Bovis
verwendete
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