Das Lexikon der daemlichsten Erfindungen
Lebensmittel auf den Organismus messen, geomantische Kraftorte finden, die Wirkung von Geistheilungen nachweisen, Gedanken lesen, seine Konzentrationsfähigkeit verbessern und sogar die Gehirnhälften harmonisieren kann. Tolle Verkaufsargumente.
Was in Wirklichkeit das kleine Rad antreibt, sind elektrostatische Felder. Physiker nennen sein Prinzip folgerichtig einen elektrostatischen Motor. Und so dreht sich das Egely Wheel denn auch besonders rasch, wenn sich ihm die Hand eines Menschen nähert, der zuvor über einen Kunstfaserteppich gelaufen ist oder sich eine Nylonbluse über den Rücken gezogen hat. Dabei hat er sich elektrostatisch aufgeladen. Mit irgendeiner geheimnisvollen Lebensenergie hat das ganz sicher nichts zu tun. Wäre das so, dann müsste auch der elektrische Funke, der bei trockenem Wetter überschlagen kann – wenn man zuvor über Kunstfaserteppich schlurfte und dann eine Türklinke berührt –, reinste Lebensenergie sein.
Elektrischer Stuhl
Nicht jeder Zahnarzt hat seinen Beruf aus sadistischen Neigungen gewählt. Alfred Southwick, Dentist aus der US -Stadt Buffalo, war sogar besonders human eingestellt und wollte selbst zum Tode Verurteilten Schmerzen ersparen. Als er 1881 beobachtete,wie ein Betrunkener einen Starkstromgenerator berührte und dabei auf der Stelle starb, kam ihm spontan der Gedanke, so könne man auch Delinquenten hinrichten und ihnen damit unangenehmere Todesarten ersparen. Weil Southwick Zahnarzt war und als solcher gewohnt, Patienten in einem Stuhl sitzend zu behandeln, wollte er die zur Hinrichtung Verurteilten auch auf einem solchen sitzend töten. So wurde er zum geistigen Vater des elektrischen Stuhls. Es gelang ihm auch schnell, den Gouverneur von New York, David Hill, für seine geniale Erfindung zu begeistern. In den USA ist man generell fortschrittsgläubig und liebttechnische Innovation. Im Falle des elektrischen Stuhls lag das um diese Zeit sogar besonders nahe, denn erst rund zehn Jahre zuvor hatte man die ersten großen Generatoranlagen gebaut, um Edisons Glühbirnen mit elektrischem Strom zu versorgen und damit ganze Städte zu beleuchten.
Hinrichtung um 1900. Der Pionier der Stromversorgung George Westinghouse meinte: »Die hätten besser eine Axt verwenden sollen.«
Doch gut Ding will Weile haben, vor allem in der Politik. Erst am 1. Januar 1889 trat im Bundesstaat New York ( NYC , nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Bundesstaat NY ) ein Gesetz in Kraft, das »die Tötung durch Stromschlag« zur offiziellen Hinrichtungsmethode erklärte. Am 6. August 1890, 6:38 Uhr Ortszeit, war es dann so weit. In Gegenwart von 17 Zeugen sollte der erste Delinquent, William Kemmler, auf dem elektrischen Stuhl exekutiert werden. Gefängniswärter schnallten den 30-Jährigen an beiden Armen und unter dem Brustkorb an dem Holzstuhl fest, legten auf eine glatt rasierte Stelle seines Kopfes einen feuchten Schwamm und befestigten darauf eine Elektrode. Eine zweite brachten sie – durch ein Loch in seinem Hemd – am Rücken des Mannes an. Als man dem Todeskandidaten dann noch eine schwarze Kapuze über den Kopf stülpte, kommentierte Kemmler mit Galgenhumor: »Lasst euch Zeit und macht alles richtig, ich bin nicht in Eile.«
Auf Kommando legte ein Wärter den großen Hebelschalter um und setzte den Körper Kemmlers unter 1000 Volt Spannung. Eigentlich hätte der Mann auf der Stelle tot sein müssen, so wie das Pferd, dass zwei Ärzte tags zuvor auf dieselbe Weise umgebracht hatten, um sich von der Wirksamkeit des Verfahrens zu überzeugen. Die beiden Mediziner waren sich ihrer Sache so sicher, dass sie den Verurteilten bereits 17 Sekunden nach dem Stromstoß für tot erklärten. Er war es aber keineswegs, wie einige Zeugen bemerkten, denn er atmete noch. Einer der Ärzte gab daraufhin den Befehl, das Prozedere zu wiederholen, doch der Akku war leer.
Die Zeit verging quälend langsam. Sicherheitshalber legte man beim zweiten Versuch 2000 Volt an. Dabei zeigte sich auf erschreckende Weise, dass gut gemeint durchaus das Gegenteil von gut sein kann. Der schnelle, schmerzlose Tod, den der Zahnarzt prophezeit hatte, stellte sich nicht ein. Die Zuschauer sahen, wie Blutadern unter Kemmlers Haut platzten und wie Flammen aus seinem Körper züngelten. Es roch intensiv nach verbranntem Fleisch, aber der vorhergesagte sofortige Herzstillstand blieb aus.
Die entsetzliche Todesmarter dauerte geschlagene acht Minuten. Einigen Zeugen wurde übel, die meisten
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