Das Lexikon der daemlichsten Erfindungen
präsentieren. Das aber gefiel offenbar den Saubermännern der Wiener Müllabfuhr und Straßenreinigung ganz und gar nicht. Schon am 20. März rückten sie den bunten Wolljäckchen an Bäumen, Masten, Parkuhren mit Heckenscheren zu Leibe, die sich mit dem für sie ungewohnten Material allerdings ein wenig schwertaten.Für die Strickistinnen war der offene Bruch der Zusage für eine Woche Strickpräsenz Wasser auf die Mühlen: Bezeugte doch der Magistrat handgreiflich, dass er von Amts wegen die künstlerische Arbeit der Frauen gering schätzt und ihr in der Öffentlichkeit keinen Raum gibt. Natürlich sprachen sie die Frauenstadträtin darauf an. Sie sei »tief betroffen«, erklärte diese, aber sie sei schließlich nicht für die Handlungen der Abfallwirtschaft verantwortlich. Ein Magistrat, in dem die Linke nicht weiß (und wohl auch gar nicht wissen will), was die Rechte tut!
Die winterlich kahlen Bäume freuen sich sicher über warme Pullover.
Doch weltweit geht das Guerilla-Stricken munter weiter. Im März 2011 rief das Atelier Silke Bosbach in Overath bei Köln den Guerilla Knitting Award ins Leben. Der Wettbewerb fordert und fördert Kreativität in Wolle und soll Stadtbilder und auch Landschaften fröhlicher machen. In diesem Rahmen geht es nicht mehr allein um Bodys aus bunten Maschen, sondern auch etwaum Wollkäppchen oder farbenfrohe Schals für Skulpturen und Denkmäler. 2012/13 soll in Fortführung dieses Awards ein ganzer Textiler Kunstwanderweg entstehen.
Ein anderes Projekt rief im Mai 2011 eine Düsseldorfer Textilstudentin mit dem originellen Pseudonym »Strick« ins Leben, die Guerillagruppe Fluffy on Tour, die rasch Anhängerinnen in aller Welt gewinnen konnte. Sie hat sich politische Protestaktionen aufs Panier geschrieben: »Stricken gegen Atomkraft«, »Stricken als Intervention« usw. In Osnabrück beglückte die Maschen-Gilde 2011 die Öffentlichkeit mit ihrer Aktion »Wenn die Laterne lila Strümpfe trägt« . Und Anfang 2012 formierte sich in Dortmund die offene Gruppe Linke Maschen, die das Guerilla-Stricken als Ausdrucksmittel ihres Protests gegen Rechtsradikalismus verstanden sehen will. Feministinnen, die sich emanzipieren wollen und dazu ausgerechnet zu einem Werkzeug greifen, das jahrhundertelang geradezu ein Symbol des »Heimchens am Herd« war, der guten alten Stricknadel, mag auf den ersten Blick peinlich wirken, aber irgendwie ist es auch eine selbstironische und liebenswerte Umgestaltung des öffentlichen Raums.
H
Hahnenkampf
Wer selber keine Lust zum Kämpfen hat oder gar zu feige dafür ist, der lässt zuweilen gerne andere kämpfen. Früher handelten große Heerführer nach dieser Devise, als sie ihre Armeen gegeneinander schickten, in der Neuzeit sind es nicht selten Staatspräsidenten. Wer sich dergleichen Truppenaufmärsche indes nicht leisten kann, der kann seine diesbezüglichen Gelüste auch im kleinen Rahmen ausleben. Eine Kneipenschlägerei ist dabei allerdings nicht gemeint, denn dabei müsste man ja selbst körperlichen Einsatz bringen.
Eine vor allem in Ländern, in denen die männliche Bevölkerung zum Machismo neigt (also zum ser muy hombre , zum Sehr-Mann-Sein, wie der Spanier und
generell der Latino sagt), beliebte Art des Kämpfenlassens ist der Hahnenkampf. Er baut auf der charakterlichen Verwandtschaft zwischen Macho und Hahn
auf. Beide neigen dazu, bei den Hühnern Eindruck zu schinden undsich dabei nicht selten gehörig aufzuplustern, beide neigen auch dazu,
ihr Revier zu verteidigen. Motto: »Ich bin der einzige ernst zu nehmende Hahn auf dem Misthaufen.«
So sieht es aus, wenn Tierquälerei einträglich ist.
Also lässt der wahre Mann, der zum eigenen Kampf zu schwach oder zu feige ist, gerne einen Hahn an seiner statt in den Kampf ziehen, ob der es nun gerade will oder nicht. Aber man kann dem Willen ja auch nachhelfen. Dazu gibt es im Hahnenkampf verschiedene Möglichkeiten. Zunächst einmal sucht jeder wahre Mann, der einen Hahn in den Kampf schickt, natürlich ein möglichst aggressives Tier aus, und das lässt er sich dann auch etwas kosten. So viel, dass andere Männer davon leben können, die Galleros nämlich, spezielle Kampfhahnzüchter. Sie verfügen mittlerweile über ein breit gefächertes Fachwissen.
Der ausgewählte Kampfhahn wird dann noch durch die langfristige Gabe von Steroiden zur Muskelstärkung und kurz vor dem Kampf durch Schmerzmittel einsatzbereiter gemacht. Damit er seinen Gegner besser verletzen oder gar töten
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