Das Lexikon der daemlichsten Erfindungen
andere.
Burri geht fest davon aus, dass der Glaube an den G-Punkt autosuggestiver Natur ist. Frauen, die den Medien auf den Leim gingen, in denen sie Wunderdinge
über den G-Punkt gelesen hätten, konzentrierten sich beim Sex ganz automatisch auf diese vermeintliche Stelle und begännen schließlich daran zu
glauben. Psychologisch ist das verständlich. Viele Frauen täuschen ihren Sexualpartnern einen Orgasmus vor, weil sie weder sich selbst noch ihnen zumuten
wollen, als Versager im Bett zu gelten. Und viele Frauen scheinen an ihren vermeintlichen G-Punkt auch deshalb zu glauben, weil sie sich nicht als von der
Natur benachteiligt fühlen wollen. »Die Medien, aber auch andere Institutionen, bereichernsich daran, etwa durch G-Punkt-Aufspritzungoder G-Punkt-Stimulationskurse«, kritisiert Burri, und: »Wie jeder Mythos verkauft sich das besonders gut.«
Und es gibt ihn doch!
Kein Mythos ist hingegen eine noch recht junge Erfindung: die G-Punkt-Maus, die auf dem Mousepad ihr Unwesen treibt. Dieses erlesene Designer-Objekt ist dafür gedacht, die Arbeit am Computer lustvoller werden zu lassen.
G uerilla-Stricken
Alles begann 2005 in der texanischen Raumfahrtmetropole Houston, als sich einige Hobby-Strickerinnen zu einem Team zusammenschlossen, das sich Knitta Please nannte. Die Frauen setzten eine merkwürdige Idee in die Tat um: Sie wollten aus welchem Grunde auch immer die in ihren Augen allzu nackten Türklinken liebevoll bekleiden und strickten ihnen farbenfrohe Bodys. Verrückte Ideen wie diese haben im Globalisierungsmedium Nummer eins eine immense Plattform. Bilder der eingestrickten Klinken gingen im Internet hinaus in alle Welt, und bald fanden sich in vielen Ländern Nachahmerinnen, vor allem in den USA , Großbritannien und Spanien. Die Strickfrauen kommunizierten in Blogs und Foren miteinander, und was als spielerischer Gag begonnen hatte, weitete sich zur Manie aus. Türklinken allein genügten nicht mehr als Träger der Strick-Graffitis, wie die bunten Wollverkleidungen bald auch hießen. Größere Objekte mussten herhalten, und das nicht nur im Inneren von Häusern, nein, in aller Öffentlichkeit. Jeder sollte es sehen.
Wie die üblichen Graffitis an Mauern und Wänden mit dem tristen Grau des Betons oder Putzes kontrastieren, gaben die Strick-Graffitis bald Parkuhren, Laternenpfählen und Strommasten, Parkbänken, Verkehrsschildern und Radarfallen ein heiteres Äußeres. Nichts war vor den Guerilla-Strickaktionen sicher. Rasch waren auch Parkbäume an der Reihe.
In Deutschland hielt das Urban Knitting (städtisches Stricken) oder auch Yarn Bombing (wörtlich die Garn-Bombardierung), wie es manchmal international genannt wird, 2010 seinen Einzug, und zwar von Anfang an in großem Stil. Es begann in Frankfurt am Main, Stuttgart und Berlin-Charlottenburg. Ein Jahr später folgten München und Bochum. Die Münchener Initiatorinnen, zwei Studentinnen, sahen in ihrer urbanen Stricktätigkeit eine dezidierte Form weiblicher Straßenkunst, also ein Fanal für feministische Emanzipation mit typisch weiblichen Ausdrucksmitteln. Doch nicht nur damit bekam das Guerilla-Stricken einen politischen Aspekt. Schon im Vorjahr hatte eine Stuttgarter Gruppe justament den Bauzaun des umstrittenen Hauptbahnhof-Neubaus (Stuttgart 21) mit bunter Wolle verniedlicht.
Zu einem regelrechten Eklat kam es am 19. März 2011 in Wien. Frauenrechtlerinnen hatten mit der Stadtverwaltung ausgehandelt, dass sie am internationalen Frauentag – als demonstrativer Ausdruck für Frauenrechte – die zentral gelegene Ringstraße mit zahlreichen Guerilla-Strickwerken schmücken dürften. Die Stadt erlaubte das nicht nur, die Dezernentin für Frauenfragen im Stadtrat, Sandra Frauenberger, unterstützte das Projekt als Straßenkunst sogar finanziell. Ging es doch um ein künstlerisches Fanal. Die » Strickistinnen«, wie sich die Organisatorinnen nannten, wollten mit ihrer Aktion nicht nur den hundertsten Jahrestag einer Gleichberechtigungsdemo auf der Ringstraße feiern, sie wollten auch dagegen protestieren, dass im öffentlichen Raum zwar kommerzielle Unternehmen Plakatwerbung aller Art anbringen dürfen, nicht aber der private Wiener Bürger Platz für künstlerischen Ausdruck findet.
Allerdings mussten die strickenden Frauenrechtlerinnen für die Genehmigung des Projekts ihrerseits 70 Euro an die Stadtkasse entrichten! Dafür räumte man ihnen denn auch das Recht ein, ihre Wollkunst eine Woche lang der Öffentlichkeit zu
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