Das Lexikon der daemlichsten Erfindungen
konnte. Immerhin: In diesem Fall nahm Gott sie als reine Seele zu sich. Sie durfte sich freuen, nach ihrem Ableben nicht in die Hölle zu gelangen. Überlebte sie allerdings das Gottesurteil, weil sie nicht unterging, wurde sie anschließend als Ketzerin oder Zauberin verbrannt und musste Höllenqualen entgegensehen.
Diese merkwürdig inverse Art der Wasserprobe ließ sich sogar aus religiöser Dogmatik heraus begründen. Als nämlich Johannes der Täufer Christus im Jordan getauft hatte, wurde das Wasser durch den Kontakt mit dem Heiland selbst heilig und scheute seitdem Sünder. Es nahm sie nicht an; es nahm sie nicht auf, sondern spie sie aus. Man muss die Dinge eben drehen, wie die Justiz sie braucht.
Neben der Wasserprobe waren im Mittelalter Feuerproben als Gottesurteile recht verbreitet. Eine Spielart davon war die Heißwasserprobe, bei der der Angeklagte aus einem tiefen Kessel voll siedendem Wasser mit bloßem Arm einen Stein oder einen Ring herausholen musste. Die schweren Verbrennungen, die er sich dabei an Hand und Unterarm zuzog, wurden sodann verbunden. Nach etwa einer Woche öffnete man den Verband. War die Verletzung dann entzündet oder gar vereitert, galt der Angeklagte als schuldig. Eine Variante dieses sadistischen Verfahrens bestand darin, aus einem Glutbett mit nackter Hand ein Stück glühendes Eisen herauszugreifen.
Bei anderen Feuerproben ging es nicht weniger zimperlich zu. So mussten mutmaßliche Sünder barfuß über sechs oder zwölf rot glühende Pflugscharen gehen, mussten ein glühendes Eisen mindestens neun Fuß weit tragen, ihre Hand ins Feuer stecken oder zwischen zwei brennenden Holzstapeln hindurchgehen. Unschuldig war nur der, der bei diesen Prüfungen entwedergänzlich unverletzt blieb oder dessen Wunden binnen weniger Tage ausheilten. Die Verurteilten aber erhielten nach dem schon qualvollen Prüfungsverfahren erst ihre eigentlichen Strafen, nicht selten lauteten sie Hinrichtung, oft auf dem Scheiterhaufen.
Dass menschliche Grausamkeit zuweilen kaum Grenzen kennt, ist an sich nichts Neues, aber dass man sie dann auch noch Gott in die Schuhe schiebt, kann nur einer kranken Fantasie entspringen.
G-Punkt
Kolumbus hat Amerika entdeckt und nicht erfunden . Das ist eindeutig. Von manchen anderen Entdeckungen lässt sich das leider nicht so genau sagen, etwa bei der nach dem deutschen Arzt Ernst Gräfenberg benannten Gräfenberg-Zone, kurz G-Punkt genannt. Der Mediziner hat sie 1950 wohl weit eher erfunden als wirklich entdeckt. Gräfenberg sprach auch von einer angeblichen Prostata feminina. Doch war dieser Begriff schon zuvor in der Medizin anders belegt, nämlich als Synonym für die Paraurethraldrüsen (Glandula paraurethralis). Die liegen paarig beidseits des Harnleiters und haben mit so etwas wie einem G-Punkt nichts zu tun. Sie produzieren ein Enzym, das mit dem männlichen Prostatasekret verwandt ist.
Geradezu zum Mythos stilisierten ihn 1982 die US -amerikanische Sexberaterin Beverly Whipple und ihr Koautor John Perry mit ihrem Bestseller The G Spot: And Other Recent Discoveries About Human Sexuality . Wie schon Gräfenberg beschrieben sie diesen magischen Punkt als eine etwa geldstückgroße, raue, verhärtete Stelle etwa fünf Zentimeter hinter dem Vaginaeingang in Richtung Bauchfell. Interessanterweise lässt sich die Existenzdieser Stelle aber anatomisch nicht nachweisen. 2008 behauptete der italienische Arzt Emmanuele Jannini, bei neun Frauen mit Vaginalorgasmus eine verdickte Stelle in der Vaginalwand gefunden zu haben.
Fakt ist, dass die meisten Ärzte und Sexualforscher heute nicht von der Existenz eines G-Punktes überzeugt sind. Andrea Burri, Ärztin und Sexualforscherin am Londoner King’s College, belegte 2010, dass es rein biologisch so etwas wie einen G-Punkt gar nicht geben kann. Sie und ihre Kollegen gehen davon aus, dass eine solche lokale Nervenansammlung oder Verdickung wenigstens bis zu einem gewissen Grad vererblich sein müsste. Also bedienten sie sich des bewährten Werkzeugs der Zwillingsforschung. Weil eineiige Zwillinge in 100 Prozent ihrer Erbmasse übereinstimmen, zweieiige Zwillinge aber nur zu 50 Prozent, müssten weitaus mehr eineiige Zwillinge in der Existenz oder Nichtexistenz übereinstimmen als zweieiige. Groß angelegte Umfragen ergaben aber rein statistische Ergebnisse. Die Studie ergab außerdem, dass jüngere Frauen signifikant häufiger an die Existenz eines G-Punkts glauben als ältere und leicht erregbare Frauen öfter als
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