Das Lexikon der daemlichsten Erfindungen
vorbeigewagt, läuft er in die Arme einer uniformierten Polizeieinheit auf Motorrädern. Die Beamten entpuppen sich zwar als harmlos, denn sie sollen dem bereitgestellten Wagen des Gastes lediglich Geleitschutz bieten, wenn er den Amtssitz des Bundespräsidenten ansteuert. Bald, so müsste man meinen, wird es vorbei sein mit dem Säbelgerassel. Doch weit gefehlt. Der Präsident empfängt den Gast nicht allein, sondern zusammen mit drei jeweils 94 Mann starken Kompanien aus allen Teilstreitkräften, während ein Musikkorps markige Marschmusik aufspielt. Noch einmal muss der in friedlicher Absicht gekommene Gast ein Spalier mit präsentierten Gewehren abschreiten, bevor er den Amtssitz des Präsidenten betreten darf. Und auch dabei wird ihm demonstrativ die permanente militärische Präsenz vorgeführt. Vor der Tür stehen zwei bis an die Zähne bewaffnete Wachsoldaten.
… wie beim Empfang des brasilianischen Präsidenten in Frankreich.
Na, wenn das kein herzlicher Empfang für einen guten Freund ist! Bleibt abzuwarten, wann endlich mal ein wirklicher Pazifistunter den Staatsmännern den Mut aufbringt und schon vor seinem Besuch im Stile Marcel Reich-Ranickis sagt: »Ich nehme diese aggressiven Ehren nicht an. Ich komme in friedlicher Mission.« Zumindest die Zivilbevölkerung würde ihm das hoch anrechnen.
Möbel-Bondage
Fesselungsspielchen sind eine beliebte Praxis bei so manchem verliebten Pärchen, das seiner körperlichen Beziehung einen besonderen Kick geben will. Von dieser Art Bondage soll hier aber gar nicht die Rede sein. Hier geht es um Kunst und Selbsterfahrung.
Beim Furniture Bondage (dem Fesseln an Möbel und an anderes haushaltsübliches Inventar) lässt sich ein nackter Mensch, wie die Bezeichnung richtig vermuten lässt, mit allerlei Zeugs verzurren. Auf den ersten Blick wirkt die dabei entstehende Komposition befremdlich, ja absurd. Aber was hier als sinnfreie, verrückte Idee erscheint, lässt sich eher mit WilliamShakespeares Hamlet kommentieren: »Ist es auch Wahn, so hat es doch Methode.«
In der Cinders Kunstgalerie in Philadelphia kann man diese Möbel-Bondage-Fotos der Künstlerin Melanie Bonajo bewundern.
Große Protagonistin des Furniture Bondage ist die in den USA wirkende niederländische Künstlerin Melanie Bonajo. Sie verbindet mit ihren regelrechten Fusionen aus nacktem Körper und »Alltagszeugs« eine bemerkenswerte Idee. Ausgangspunkt ihrer Bondages ist die These, dass der Mensch der Moderne sich über materielle Obsessionen definiert und bei der Suche nach Zufriedenheit, Glück oder auch so etwas wie Sicherheit sich durch Äußeres zu »komplettieren« versucht. Bonajo wollte körperlich und psychisch erfahren, wie sich dieses Verschmelzen mit den Objekten unserer materiellen Umgebung anfühlt, und dieses Gebundensein unmittelbar ausdrücken. Das ist ihr denn auch eindrücklich gelungen, wozu beim Betrachter sicher auch der gelinde Schreck beim ersten Anblick gehört.
Monocycle
Der innere Drang, ein Fahrrad zu bauen, das aus nur einem einzigen riesigen Rad und einem Antrieb besteht, scheint eine Pflanze mit starken Wurzeln zu sein, denn sonst würde sie nicht beharrlich seit mehr als anderthalb Jahrhunderten immer wieder neue und zuweilen recht lustige Blüten treiben.
Geistiger Urahn dieses Kuriosums war wohl der Franzose M. Davis, der bereits 1853, also nur rund 30 Jahre nachdem Karl Freiherr von Drais den Urtyp des Fahrrads entwickelte, ein gigantisches Einrad präsentierte. Es hatte rund 2,20 Meter Durchmesser. Seine verlängerte Mittelachse war auf beiden Seiten des Rads nach unten gebogen und trug dort je einen ziemlich bescheidenen Sattel, auf dem je ein Mann sitzen konnte. Jederder beiden Fahrer hielt sich in Hüfthöhe an einer Stange fest, die ebenfalls an der verlängerten Achse befestigt war. Der Antrieb war nachgerade primitiv, denn die beiden Radler liefen einfach neben dem Riesenrad her. Hatte es eine gewisse Geschwindigkeit erreicht, konnten sie die Beine hochziehen und das Ding einfachweiter rollen lassen. Das Gerät war nicht nur extrem unhandlich, es bedurfte auch erheblicher Übung, es zu zweit manövrieren zu können. Kein Wunder, dass es niemand haben wollte.
Einrad mit Speichen aus der Zeit um 1860.
Aber die Monorad-Fanatiker gaben nicht auf. In den folgenden zwei Jahrzehnten entstanden immer neue Konstruktionen, meist solche, die nicht mehr per pedes apostolorum angetrieben werden mussten, also nicht mehr zu Fuß wie die Apostel, sondern mit Hand-
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