Das Lexikon der daemlichsten Erfindungen
man in ein Stahlblechgehäuse (Faraday-Käfig) verbrachte, energetisch auflud. Das heißt, sie wurde wärmer und sammelte elektrostatische Ladungen. Begeistert berichtete Wilhelm Reich Albert Einstein von dieser Beobachtung und bat um Stellungnahme und Unterredung »in einer wissenschaftlich schwierigen und drängenden Angelegenheit«. Einstein ließ sich einen Orgonakkumulator zuschicken und untersuchte ihn gründlich. Ergebnis: Die tatsächlich zu beobachtende Temperaturerhöhung und auch die statische Aufladung ließen sich physikalisch ohne jegliches Einwirken irgendeiner Orgonenergie erklären. Wörtlich schrieb Einstein an Reich: »Ich hoffe, dass dies Ihre Skepsis entwickeln wird, dass Sie sich nicht durch eine an sich verständliche Illusion trügen lassen.« Einen weiteren Brief Reichs beantwortete der große Physiker nicht mehr. Reich indes beharrte weiterhin auf der Existenz der ominösen biologischen Orgonenergie und setzte seine Experimente mit Akkumulatoren fort.
Heute haben geschäftstüchtige Epigonen daraus ein blühendes Geschäft entwickelt. Sie bieten nicht nur Orgonakkumulatoren in den verschiedensten Größen an, sondern offerieren sogar Orgonstrahler, meist in Kegelform, die angeblich aus dem Nichts heraus Orgonenergie in Mengen produzieren und an die Umgebung abgeben. Laut Werbetext kann so ein Kegel von nur 30 Zentimeter Höhe, bestehend aus in Gips eingebetteten Tumbler-Steinen (Achat, Opal, Amethyst, Rosenquarz usw.), Orgonfelder im Umkreis von bis zu sechs Kilometern erzeugen – und damit das Wetter beeinflussen, Wolkenfelder auflösen, die chemischen Abgase von Flugzeugen am Himmel neutralisieren und dem Menschen spirituelle Klarheit über die Schöpfung und sich selbst vermitteln.
Andere Anbieter offerieren ganze Orgonakkumulatorschränke, deren Wände abwechselnd mit Lagen aus organischem und anorganischem Material aufgebaut sind. Um allerlei Wehwehchen und auch psychische Leiden wie Depressionen zu kurieren, muss man sich nur hineinsetzen. Neuester Gag: Ein Hersteller will sogar den Geist von Reich gechannelt haben, der ihm befahl, das Prinzip des Orgonakkumulators für Engelsenergie zu nutzen. Nichts leichter als das, in Absprache mit den Engeln setzte er lediglich in jede Ecke des Schranks einen Rosenquarz, und im Gegenzug versprachen ihm die himmlischen Flügelwesen, den ganzen Kasten mit ihrer liebevollen Präsenz regelrecht zu überfluten. Sogar Reich, der sich immer für einen forschenden Naturwissenschaftler hielt, würde sich im Grabe umdrehen.
Rein in den Schrank, Türe zu, und neue Lebensenergie durchströmt all jene, die daran glauben.
P
Perpetuum mobile
»Geneigter Leser. Das von dem berühmten Mechanico, Herrn Orffyreo, im Jahr 1712 zu Gera glücklich erfundene und nachgehends zu Draschwitz und Merseburg Anno 1713, 1714, 1715 und 1716 gestandene Perpetuum Mobile, welches viel curieuse Liebhaber inner- und ausserhalb Landes sehr wohl contentiret, hat an mißgönstigen aemulis so viel erbitterte Feinde gefunden, daß sie ihrem unzeitigen Eifer nicht steuren können, sondern ihr foible durch Satyrische Kupffer, scoptische Schrifften und allerhand üble Nachreden gar sehr verrathen. Allein was werden sie nunmehro sagen, da der Herr Orffyreus, den sie gäntzlich zu Schanden gemacht zu seyn geglaubet, mit einem neuen und grössern Perpetuo Mobili, unter der Auffsicht und in Gegenwart eines grossen Fürsten, der bey aller Welt den Ruhm einer grossen Gelehrsamkeit und profonden Wissenschafft in der Mechanic hat, aufftritt? welches seine Probe einen gantzen Monat länger, als die Zeit darzu bestimmt gewesen, sehr wohl gemacht, wie aus nachstehender Nachricht aus Cassel mit mehrern zu ersehen seyn wird.«
Dieser Text, der in reichlich antiquiertem Deutsch im frühen 18. Jahrhundert in Leipzig veröffentlicht wurde, ist der Beginn einer Lobrede auf ein angebliches mechanisches Wunderwerk, das ein gewisser Johann Bessler, bekannt als Orffyreo (oder latinisiert Orffyreus), im Schloss Weißenstein bei Kassel im Auftrag des Landgrafen Karl zu Hessen-Kassel aufgebaut hatte. Es handelte sich dabei um ein Rad von mehr als zwei Metern Durchmesser, das sich, einmal von Hand in Rotation versetzt, angeblich beliebig lange weiterdrehen sollte, ohne irgendeinen Antrieb zu besitzen und ohne irgendeine Energiezufuhr von außen. Dieses Perpetuum mobile (Ewigbeweger) wurde im Beisein des Landgrafen und anderer Zeugen am 2. November 1717 gestartet. Danach wurde der Raum verschlossen und
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