Das Licht, das toetet
okay. Besser als deine jedenfalls.“
Alva nickte und hielt den beiden die nächste Tür auf. Sie schoben Daniel an Plastikkisten, in denen die wöchentliche Post geliefert wurde, und an ausrangierten Messgeräten vorbei zum Sanitätsraum der Basis.
„Schläft“, bellte Dozer. „Sein Bein muss genäht werden. Hoffentlich kriegen wir das Gewebe ringsum weg.“
Erneut nickte Alva. Sie brauchte nicht hinsehen, um zu verstehen, was er meinte. Die Sanitäter mussten die Schnittwunde nicht nur reinigen, sondern auch ihre Ränder freischneiden, weil die Kälte durch den Anzug gedrungen und die Haut um den Schnitt erfroren war.
Niemand konnte Dozer leiden, aber alle hatten Respekt vor ihm. Bei ihrer Ankunft hatte er Alva beschrieben, wie es sich anfühlte, wenn einen die Kälte auffraß. Es sei, als verbrenne man, hatte Dozer den Neuankömmlingen erklärt. Man spüre keine Kälte, hatte er geknurrt und Zeige- und Mittelfinger seiner rechten Hand hochgehalten, die nur noch Stummel waren. Es fühle sich eher wie ein Glühen an, wenn die Nerven vor Kälte abstürben und das Gewebe schwarz werde.
Sie waren schon halb durch die Tür, als Alva bemerkte, dass Daniel die Augen einen Spaltweit geöffnet hatte.
„Überlass die Fahrt nächstes Mal lieber mir. Du spielst Playstation, ich kontrolliere“, flüsterte sie ihm zu und lächelte. Dann musste sie sich die Hand vor den Mund halten, da sie erneut ein Hustenanfall packte.
Daniel griff müde nach ihrer Hand und erwiderte schwach ihr Lächeln. Mit aller Kraft versuchte er zu sprechen, aber sie verstand ihn nicht. Erst als sie ihren Kopf dicht über seinen Mund beugte, hörte sie ihn murmeln: „Anomalie? Was ist mit den Sensoren …?“
Bevor Alva antworten konnte, drängte Dozer sie mit einem übertriebenen Räuspern beiseite. „Kochen Sie sich nen Tee“, bellte er. „Ihr Husten hört sich schrecklich an.“
Die Tür des Sanitätsraums schloss sich hinter Daniel und Alva sah durch das Bullauge im Türblatt, wie sie ihn auf den OP-Tisch hoben.
18
Ian benötigte nicht viel. Er stopfte drei T-Shirts, ein paar Socken und Unterwäsche in seinen alten Armee-Rucksack. Ein paar Copic-Marker und einen Skizzenblock packte er auch noch dazu. Dann nahm er die Taschenuhr ab und schlug sie in eines der Tücher ein, mit denen er gewöhnlich seine Pinsel abwischte. Sorgsam steckte er sie in die Seitentasche. Er wollte sich schon von Zero verabschieden, als ihm bewusst wurde, dass er es bereits für immer getan hatte.
Ian drängte die Tränen zurück und schnappte sich sein Gepäck. Ein letztes Mal sah er sich in seinem Zimmer um, dann öffnete er das Fenster über der Garage. Leise kletterte er hinaus auf das Dach. Er lief bis zur Kante, griff nach dem Basketballkorb und ließ sich fallen.
Wie so oft in den letzten Monaten schlich er sich heimlich fort, doch diesmal hatte Ian nicht vor, zum Abendessen zurück zu sein.
„Und was willst du machen? Zu einer Wahrsagerin gehen?“ Bpm hatte seinen Kopf in den aufgeschraubten PC der Kasse gesteckt und stocherte darin herum. Der kleine Malerladen seines Vaters hatte noch nicht geöffnet, doch Bpm musste auch samstags die Ware einräumen, da sein Vater wie jeden Morgen seinen Rausch ausschlief.
Unter den Tapetenrollen, Kübeln mit Lack, Wandfarbe und Verdünnern konnte man kaum noch den Tresen erkennen. Ian staunte immer wieder über das Chaos und die Werbeplakate aus den 80er-Jahren, die verblichen und verfärbt an den Wänden hingen. Vor zwei Wochen hatte er mit Bpm das Lager ausgeräumt, aber vor allem angestaubte Bierflaschen weggeworfen. Hinter einem vergammelten Ladenschild – „Lissitzkys Farben! Froh und heiter!“ – hatten sie ein Flaschendepot entdeckt. Mehr als siebzehn Schnapsflaschen und unzählige Flachmänner, teils noch halbvoll.
Ian schob sich zu Bpm hinter den Tresen, wo kaum noch Platz zum Treten war.
„Du musst doch zugeben, dass es eigenartig ist. Meine Mutter hat quasi gesagt, dass mein Vater auch diese Geister gesehen hat! Und dieses Vieh im Keller, das …“ Er suchte nach Worten. „Das sah gefährlich aus. Wie ein Mann. Einen Moment habe ich sogar gedacht, es wäre mein Vater … Bpm?“
„Ich hör zu.“
Aus einer alten Lackdose fischte Bpm ein paar Kabel und prüfte sie im Licht der Halogenlampe. Ein schiefer Blick seines Freundes signalisierte Ian, dass Bpm sich nicht sicher war, ob er seinem Freund glauben sollte. „Also, damit ich das richtig verstehe: Du kannst tote Menschen
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