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Das Licht, das toetet

Titel: Das Licht, das toetet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derek Meister
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um. Und jetzt taucht dieser Cowboy auf und verfolgt uns? Wie passt das zusammen? Geister heuern doch keinen Schläger an.“ Ian war ratlos. Einen Moment lang sah er Bpm zu, der sich nicht traute, seine Chips aus dem Papierkorb zu fischen, dann schob er ihm seine Tüte hin. „Entschuldige. Ich krieg eh nichts runter.“
    Bpm stopfte sich zwei Fritten in den Mund. „Ist doch klar. Der weiß von deinen Visionen.“
    „Wie sollte er?“
    „Weiß ich auch nicht. Ich meine, den hat uns doch nicht Parodontose-Peter auf den Hals gehetzt. Oder glaubst du, er will so dringend seine Harley wiederhaben, dass er einen Killer auf dich ansetzt?“
    „Mein Stiefvater? Quatsch.“
    Der Koreaner brachte ihnen die Decken. Er verbeugte sich mehrfach und erkundigte sich, ob es ihnen gut gehe. Ian bedankte sich, aber irgendetwas gefiel ihm an dem Mann nicht. Er hätte nicht sagen können, was es war. Wahrscheinlich war es lediglich die Tatsache, dass er ihnen allzu freundlich begegnete.
    „Dieser Cowboy taucht jetzt auf“, flüsterte Bpm zwischen zwei Schluck Cola, „weil wir an einer ganz heißen Sache dran sind. Das ist der Grund. Keine Geister. Es steckt etwas viel Banaleres dahinter. Da bin ich mir sicher. Deswegen war er auch in der Villa deines Vaters. Vielleicht hatte der noch mehr Geheimnisse als dieses kranke Wandbild.“ Er steckte sich einen seiner Stöpsel ins Ohr und begann, Musik zu hören, während er auf dem Handy die Fotos vergrößerte.
    Nach einer Weile fügte Bpm hinzu: „Gruselig ist es schon. Glaubst du, es ist dein Vater da in der Mitte? Der kleine Mann?“
    Ian nickte.
    „Was hat er denn da in der Hand?“ Bpm zeigte Ian das Foto, der einen Moment brauchte, bis er etwas auf dem Display erkannte. Vorhin im Arbeitszimmer hatte er das Ding für eine Art Schild gehalten, doch dazu war es eigentlich zu klein. Es sah aus wie …
    „Eine Taschenuhr“, stellte Ian fest und zoomte mit seinen Fingern den Ausschnitt näher heran. Sie war ungewöhnlich dick und … „Es könnte die Uhr meines Großvaters sein.“
    „Dann ist es also dein Großvater?“
    Ian suchte nach der Narbe, konnte aber nur mit Mühe überhaupt ein Gesicht erkennen. „Ich glaube nicht, nein. Es ist mein Vater.“
    Seelen in Flammen. Zeit in Unruh.
    Grübelnd betrachtete Ian das Foto. Der kleine Mann und die großen Geister. Die Wellen aus feuerspeiender Angst … Ian musste schlucken.
    „Verdammt“, sagte er. „Er – er hat sich verbrannt. Selbstmord?“
    Bpm nickte. „Ziemlich fiese Methode für einen Selbstmord.“ Er stürzte seine Cola hinunter.
    Unruhig rutschte Ian auf seinem Reissack hin und her. „Und was, wenn es keiner war? Kein Selbstmord. Diese Geister sind durch Zero gefahren wie durch Butter, Bpm. Sie haben …“
    Bpm griff nach dem Handy und blickte erneut auf das Foto. „Du meinst … Die haben auch deinen Vater …? Jetzt hör aber auf. Das ist Wahnsinn, Ian. Paranoid. Ich glaube eher, dass dieser Cowboy was damit zu tun hat. Es gibt keine Geister!“
    Mit einem Mal stand Ian auf. Er schnappte sich seine Bikerjacke und seinen Rucksack, stieß wortlos die Tür auf und ging.
    Einen Augenblick lang sah Bpm ihm nach, dann sprang er auf, die leere Colaflasche noch in der Hand, und folgte ihm in den Nieselregen.
    „Warte. So hab ich das doch nicht gemeint.“ Bpm packte ihn an der Schulter. „Tut mir leid.“
    „Muss es nicht. Du hast ja recht. Ich gehe zur Polizei. Ich sag denen, was ich weiß. Und dass auf uns geschossen wurde.“ Er wandte sich ab und ging ein paar Schritte auf die Harley zu, bis Bpm ihm den Weg verstellte.
    „Wie, bitte, willst du der Polizei das alles erklären? Dass du an Geister glaubst? Dass Visionen deinen Hund und deinen Vater umgebracht haben? Und wie erklärst du denen das mit der Kreditkarte? Und dass du die Harley geklaut hast?“
    Ian zuckte mit den Schultern. „Parodontose-Peter wird mich schon nicht anzeigen.“
    „Für ein paar saftige Sozialstunden reicht es auch so. Dafür muss er dich nicht anzeigen, das tust du mit deiner Aussage quasi selbst. Und was meinst du, werden die Bullen tun, wenn du ihnen von Geistern erzählst …? Tu es nicht, Ian. Mach keinen Fehler.“
    Ian riss sich los. Für Bpm war es einfach. Er hatte nicht viel zu verlieren. Er hatte nur einen langweiligen Tag mit seinem betrunkenen Dad verpasst, aber Ian stand kurz davor, seinen Vater erneut zu verlieren. Das Bild, das er sich über die Jahre gezeichnet hatte, war im Begriff, völlig ausradiert zu werden.

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