Das Licht, das toetet
liegen sehen. Der Käfer lag auf dem Rücken, als ob er Sobo aus der Hand gerutscht wäre, die nur noch Kohle war …
„Ganz ruhig“, sagte der Mann. „Ich bin Kommissar Kenichi Akiyama. Ganz ruhig. Lassen Sie uns draußen sprechen. Sie sind doch Ishizuka Chiyo? Sie sind doch Ishizuka Chiyo?“
Hatte er die Frage wirklich zweimal gestellt? Sie wusste es nicht.
Obwohl sie ihren Anblick nicht ertragen konnte, wollte Chiyo noch einmal Sobo sehen. Sie wollte sich nur vergewissern, dass es wahr war. Der Kommissar griff fester zu und zerrte sie einen weiteren Meter vom Badezimmer weg. Chiyo wurde unangenehm heiß, weil er sie im Schwitzkasten hatte.
Endlich drangen die Geräusche wieder zu ihr durch. Das Schnaufen des Kommissars, die aufgeregten Stimmen, das Schnarren der Funkgeräte.
Irgendwo lachte irgendwer und sie erkannte, dass Sobos Radio noch lief. Ihre Großmutter liebte es, klassische Musik beim Baden zu hören. Sie hatte es geliebt. Mozart, Verdi, Wagner. Wenn Sobo donnerstags ihr Schaumbad nahm, hatte sie immer gesagt, es wäre wieder Zeit für ihre Soap Opera.
Der alte Glatzkopf hielt Chiyo noch immer an sich gedrückt. Sie konnte den Muff seines Cordanzugs und sein herbes Rasierwasser riechen, das er zu stark aufgetragen hatte.
„Kommen Sie“, befahl er mit schroffer Stimme, aber Chiyo gehorchte nicht. Sie kratzte und biss ihn, bis sie beide gegen eine der Papierwände krachten.
„Was soll denn das?“, stieß der Kommissar hervor und packte fester zu. Er zerrte sie an ihren buntgefärbten Haaren Richtung Ausgang. Chiyo entging nicht, dass die anderen Beamten den Ringkampf sprachlos beobachteten. Der Fotograf schüttelte den Kopf.
Sie hatten beinahe die Tür erreicht, als Chiyo dem Mann mit voller Wucht das Knie in den Bauch rammte. Sie spürte, wie ihm einen Augenblick die Luft wegblieb. Endlich gelang es ihr, sich zu befreien. Doch sie kam nur zwei Schritte weit, bevor Kenichi sie erneut packte. Chiyo ließ ihren Ellbogen hochfahren und traf sein linkes Auge. Er stöhnte, ließ aber nicht locker. Vor Wut schnaufend, drehte er ihr den Arm auf den Rücken.
Chiyo schrie auf: „Loslassen!“
„Schnauze!“, bellte Kenichi zurück. „Komm jetzt mit!“
„Lassen Sie mich los!“
Kenichi trat die Haustür auf und stieß sie hinaus ins Freie. Mit Gewalt drückte er sie auf die verwitterten Holzstufen vor der Tür. Sofort wollte Chiyo aufspringen, doch ein Fingerzeig des Kommissars ließ sie zurückzucken. In seinem Blick lag so viel Autorität, dass selbst Chiyo sich nicht mehr rührte. Sie sah, dass sein linkes Auge tränte und bereits rot anlief. Kaum saß sie einen Moment still, kamen ihr die Tränen. Sie wollte etwas sagen, brachte aber nur ein lautes Schluchzen hervor.
Kenichi reichte ihr stumm ein Taschentuch, dann setzte er sich zu ihr auf die Stufen. Mit einem Nicken wies er den Fotografen an, sie in Ruhe zu lassen und hinten aus dem Haus zu gehen.
„Du lebst schon seit dem Tod deiner Eltern bei ihr. Hast sie sehr gern gehabt, hm?“
Chiyo nickte unter Tränen.
„Und doch hast du dich ganz schön oft mit ihr gestritten, nicht wahr?“
„Was?“, brachte Chiyo hervor und schnäuzte sich.
„Ihr habt euch oft gestritten. Du und deine Großmutter.“
Chiyo musterte Kenichi und überlegte, ob sie ihm das Gesicht zerkratzen sollte wie diesem Koreaner.
„Wer sagt das?“, fragte sie stattdessen.
„Euer Nachbar. Er meinte, du hast sie die Treppe hinuntergestoßen.“
„Meine Großmutter?“
Der Kommissar nickte.
„Sind Sie bescheuert?“, fauchte sie. „So ’n Blödsinn! Kishii behauptet jeden Dreck. Der redet den ganzen Tag nur Bullshit.“
„Nicht in dem Ton, ja?“, drohte er.
„Wieso sollte ich Sobo was antun?“, schrie Chiyo zurück. Sie wollte nicht weinen, hatte aber ihre Tränen nicht mehr unter Kontrolle. Ihren eigenen Gefühlen hilflos ausgeliefert zu sein, machte sie noch wütender als die dummen Unterstellungen des Kommissars. Mit zitternden Händen wischte sie sich die Tränen weg und verrieb ihren Kajal über das ganze Gesicht.
„Ich rede nicht mehr mit Ihnen!“, schluchzte sie.
„Das wirst du aber wohl müssen, Chiyo.“
Sie bemerkte, dass sein Blick auf die Medikamente gerichtet war, die noch immer auf dem Kies lagen.
„Und ich nehme an, das ist alles für dich.“
„Sie ist gefallen. Ein Unfall!“
Kenichi nickte stumm. Es war ein abfälliges Nicken, das Chiyo erneut die Tränen in die Augen trieb.
„Ich habe Sobo nicht gestoßen und …
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