Das Licht der Hajeps - Guerillas (German Edition)
niederzureißen. Also zurück zu den Häusern oder lieber hier in den Selbstbedienungsladen rein? Vielleicht war der auch nicht auf? Egal, sie musste jetzt irgendwo hin.
Sie lief ein gutes Stück am Zaun entlang, oder lief sie in Wahrheit gar nicht? Sie hatte plötzlich das Gefühl, als käme sie überhaupt nicht vorwärts? Der hohe Zaun sah nämlich immer gleich aus! Sie schwitzte zum gotterbarmen und versuchte sich einige Merkmale einzuprägen, um zu sehen, dass sie sich überhaupt von der Stelle bewegte und stellte fest, dass sie sich wohl doch weiterschleppte und so blickte sie auch ab und an zu den übrigen halb fertigen Häusern hinauf, die rings um den Selbstbedienungsladen, einem Flachbau, standen. Vielleicht sollte sie besser in eine dieser Ruinen verschwinden? Womöglich suchten die Hajeps in halbfertigen Gebäuden nicht nach Menschen?
Plötzlich glaubte sie, eine Bewegung oben in dem Hochhaus ohne Dach wahrzunehmen. Ihr Herz zuckte zusammen. Sie blieb stehen. Stimmte das tatsächlich oder hatte sie jetzt Halluzinationen? Sie kippte ihre Brille etwas an, um besser sehen zu können und ihr Herz krampfte sich zusammen. Tatsächlich! Hinter dem schmalen Flurfenster in der sechsten Etage stand eine große Gestalt. Sie schien Margrit mit einem Gerät anzuvisieren. War es ein langes Fernrohr oder …?
Jetzt zog er, es war wohl etwas Männliches, sogar seinen Kameraden ans Fenster und er schien ziemlich erregt auf Margrit zu weisen.
Margrit keuchte entsetzt, preschte am Selbstbedienungsladen vorbei und jagte mit rasselndem Atem zum entgegengesetzten Häuserblock. Mein Gott, war sie fertig, denn etwa eine dreiviertel Stunde war sie inzwischen wieder gerannt. Jetzt schleppte sie sich schneckengleich durch irgendeinen Hinterhof. Vielleicht starb sie ja an Erschöpfung noch ehe man sie hatte! So etwas sollte schon vorgekommen sein und dann sparte sie sich die ganze Hinrichtung.
Ach, es sah hier zynischerweise alles so idyllisch aus! Die Sonne stand noch ziemlich hoch am Himmel und tauchte das Laub des Hofes in ein goldenes Licht. Helle, rhythmische Pfiffe außerhalb des Hofes, rund um dieses Karree, trieben Margrit jedoch in den Schatten und weiter zur nächsten Häuserfront.
Sie waren also auch dort! Konnte Margrit überhaupt noch den Hof verlassen? Schmerzensschreie tönten plötzlich irgendwo hinten im Hof. Jemand hatte wohl über den Keller versucht, in diesen zu gelangen und brach nun auf dem Parkplatz unter einem prasselnden Geräusch zusammen.
Margrit hörte kurz danach die typisch heiseren Stimmen der Hajeps und dann schnelle Schritte durch den Hof huschen. Verdammt kamen sie etwa hierher? Womöglich sah man sie, wenn sie das schützende Dickicht verließ!
Also blieb sie mitten im Busch hocken. Dann tönte weiteres Pfeifen auch aus dem kleinen Garten, der hinter dem Spielplatz direkt an den Hof grenzte und dann das zu Tode erschrockene Kreischen einer Frau, die nun aus irgendeinem Versteck hervorgezerrt wurde. Margrit glaubte zu hören, dass sich diese mutige Frau wehrte, sehr zum Amüsement der Hajeps. Das konnte man an der Tonlage, in der sie auf sie einredeten, erkennen. Jedoch begann sie die Männer bald zu langweilen und schon vernahm Margrit das dumpfe Geräusch heftiger Schläge und Tritte auf einen Menschenkörper. Nun hörte Margrit überraschtes, schmerzerfülltes Stöhnen und schließlich die Frau um Gnade winseln. Margrit wollte sich gerade wieder die Finger in die Ohren stecken, ach, sie kam sich ja so furchtbar feige vor, da wurde es endlich still! Einige Minuten später vernahm Margrit ein Pfeifen aus der obersten Etage des Mietsblockes direkt ihr gegenüber und dann auch dort Schreie.
„Nein, nein, neiiiiiiiin!“ hörte sie einen jungen Mann und dann eine Tür zuschlagen. Es rumpelte. Dann schien es Margrit so, als würden fast gleichzeitig überall in dem gesamten Häuserblock Türen aufgerissen werden. Harte Männerstimmen erklangen und feste, entschlossene Schritte waren zu hören, aber auch welche, die verzweifelt die Treppen hinunter oder hinauf. Es half alles nichts. Ziemlich schnell hatte man jeden Flüchtling gefangen und an Ort und Stelle exekutiert. Einige flehten noch und bettelten, winselten um Erbarmen, aber es wurde ihnen kaum zugehört.
Jetzt sah Margrit, wie im obersten Stock der dritten Etage plötzlich ein Fenster aufgerissen wurde, ein junger, blutüberströmter Mann in zerrissener Kleidung kletterte auf das Fenstersims und dann stürzte er sich einfach in die
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