Das Licht der Phantasie
jeder. Los! Worauf wartest du noch? Es ist dir sicher gleich, daß wir dich lebend brauchen, damit du die acht Zauberformeln aussprichst und die Scheibenwelt rettest. Tja, wen kümmert’s, wenn wir alle verbrennen? Dich? Wohl kaum. Du bist dir selbst der Nächste, stimmt’s?«
Ein langes verlegenes Schweigen schloß sich an.
»Ich weiß nicht warum«, entgegnete Rincewind nach einer Weile und sprach wesentlich lauter als notwendig, »aber seit ich dich kennengelernt habe, verbringe ich einen großen Teil meiner Zeit damit, dauernd in Not zu geraten.«
»Not ist nicht Tod«, berichtigte Zweiblum.
»Wer ist tot?« fragte Rincewind verwirrt.
»Du – wenn du losläßt«, erklärte der Tourist und versuchte, nicht darauf zu achten, daß er sich immer mehr dem Rand der runden Öffnung näherte. »Was ich sagen wollte, ist folgendes: Du bist noch immer quicklebendig, trotz allem. Ich meine, es könnte doch wesentlich schlimmer sein, oder? Wenn ich mich recht entsinne, bist du nicht schwindelfrei. Und im Turm ist es zum Glück dunkel. Stell dir nur mal vor, er wäre hell erleuchtet, so daß du den Boden fast zweihundert Meter unter dir sehen…«
»Lieber nicht«, ächzte Rincewind und gab ein gurgelndes Geräusch von sich. Er atmete einige Male tief durch und fügte schließlich hinzu: »Weißt du, was ich tun werde, wenn wir dies alles überstanden haben?«
»Nein«, sagte Zweiblum, schob die Stiefelspitzen in einen schmalen Spalt zwischen zwei Steinplatten und versuchte, sich allein mit der Kraft seines Willens festzuhalten.
»Ich werde mir ein Haus in der flachsten Ebene weit und breit bauen. Ich beschränke mich auf das Erdgeschoß und verzichte sogar darauf, Sandalen mit besonders dicken Sohlen zu tragen…«
Der erste Fackelträger näherte sich und blieb dicht unter Rincewind stehen. Zweiblum sah in das lächelnde Gesicht Cohens. Hinter ihm erkannte er die vertrauten Konturen des Koffers, der auf Hunderten von kleinen Beinen über die Stufen trippelte.
»Alles in Ordnung?« fragte der greise Barbar. »Kann ich euch irgendwie helfen?«
Rincewind schnaufte leise und holte Luft.
Zweiblum diagnostizierte die Symptome eines beginnenden Wutanfalls. Rincewind setzte zu einer Bemerkung an wie »Ja, mich juckt es am Nacken, und ich wäre dir sehr dankbar, wenn du mich dort im Vorbeigehen kratzen könntest« oder »Nein, es macht ungeheuer Spaß, über tiefen Abgründen zu hängen.« Der Tourist wollte sich nicht die Stimmung verderben lassen, und deshalb sagte er rasch:
»Zieh Rincewind auf die Stufen!« Der Zauberer ließ zischend den Atem entweichen.
Cohen schlang ihm den einen Arm um die Taille und setzte ihn nicht gerade sanft auf der Treppe ab.
»Ziemliche Schweinerei auf dem Boden dort unten«, sagte er freundlich. »Wer war der Bursche?«
»Hast du«, – Rincewind schluckte –, »äh, zufälligerweise irgendwelche Tentakel oder was in der Art gesehen?«
»Nein«, erwiderte Cohen, »nur den üblichen Kram. Allerdings platter als sonst. Und ein wenig verschmiert.«
Rincewind sah Zweiblum an, der den Kopf schüttelte.
»Ein Zauberer, der sich zuviel vornahm«, meinte er.
Rincewind ließ sich durch die Dachluke helfen und versuchte ohne großen Erfolg, die Schmerzen in seinem protestierenden Leib zu mißachten.
»Wie seid ihr hergekommen?« erkundigte er sich.
Cohen deutete auf die Truhe, die sich neben Zweiblum auf den Boden sinken ließ und die Klappe öffnete – wie ein Hund, der weiß, daß er ungehorsam gewesen ist, und hofft, mit einer Geste der Zuneigung sein Herrchen zu beschwichtigen (und der zusammengerollten Zeitung zu entgehen).
»Nicht sehr bequem, aber schnell«, sagte der greise Barbar bewundernd. »Außerdem wagt es niemand, einen aufzuhalten.«
Rincewind starrte zum Himmel hinauf und sah gleich mehrere pokkennarbige Monde, jeder einzelne zehnmal so groß wie der kleine Satellit der Scheibenwelt. Er beobachtete sie ohne Interesse, fühlte sich leer und ausgebrannt, so erschöpft wie noch nie zuvor in seinem Leben. Einem alten Gummiband, das jederzeit reißen konnte, mußte es ähnlich ergehen.
Unterdessen holte Zweiblum sein Ikonoskop hervor.
Cohen musterte die sieben alten Zauberer.
»Seltsamer Ort, um Statuen aufzustellen«, sagte er. »Hier kann sie niemand sehen. Nun, ist vielleicht auch besser so. Geben nicht viel her. Armselige Arbeit.«
Rincewind trat näher und klopfte vorsichtig an Werts Brust. Sie bestand aus massivem Stein.
Mir reicht’s, dachte er. Ich will endlich
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