Das Licht der Toten: Roman (German Edition)
angesehen.«
Jeder Satz ersetzte Abraham die Ohrfeigen, die er dem Mann am liebsten verpasst hätte. Markowitz krümmte sich wie vor Schmerzen.
»Na, kommen Sie schon«, drängte Abraham ihn, »der Tag hier könnte uns beiden noch so viel mehr bescheren als Alkohol und Schläge.«
»Sie sind ein Mistkerl«, sagte Markowitz. »Sehen Sie denn nicht, wie schlecht es mir geht.«
»Nicht so schlecht wie Ihrer neuen Frau. Ihr Gesicht sieht nämlich im Gegensatz zu Co Baos noch ganz manierlich aus, Markowitz. Und wenn wir uns schon darüber unterhalten, vielleicht sollte ich Ihnen die Tatortfotos von Eddas Leiche zeigen. Und dann unterhalten wir uns noch mal über Ihr Befinden.«
Markowitz murmelte: »Ich bin kein schlechter Mensch …«
»Denken Sie nach, das würde Sie mir gleich sympathischer machen.«
»Ich bin mir nicht sicher … ich glaube, er trug eine Baseballmütze, Jeans, eine Jacke, keine Ahnung welche Farbe … ich sah die beiden, und dann ging ich weg. Ich dachte … ich weiß nicht, was ich dachte. Vielleicht hatte der Kerl ihr einen ausgegeben. Es war mir egal. Sie war mir egal.«
»War er groß, klein, schmächtig, kräftig?«
»Ich habe nicht mehr.«
Am liebsten hätte Abraham Markowitz gepackt und die Erinnerungen aus ihm herausgeschüttelt wie Staub aus einem alten Regal.
»Warum haben Sie mir das nicht damals erzählt?«
Vor Monaten, verdammt!
»Hatte es verdrängt. Vergessen. Wie gelöscht.«
Abraham sagte: »Eine zweite Frau ist getötet worden.« Er nannte Beenhakkers Namen, aber wie erwartet konnte Markowitz damit nichts anfangen. »Vielleicht hat dieser Mann etwas damit zu tun.«
»Ich kann Ihnen wirklich nicht mehr sagen …«
Abraham stand auf, er war deprimiert, weil ihm Markowitz nicht mehr liefern konnte, und gleichzeitig doch auch irgendwie angefasst, weil er jetzt zumindest den Fetzen einer Information hatte. Ein junger Kerl bei Markowitz. Vielleicht auch bei Beenhakker? Und wenn es derselbe war? War das die Verbindung zwischen den beiden Opfern? Er musste dringender als zuvor zu Lydia. Er hatte so viele Fragen zu stellen … der Bulle in ihm, der Mensch hingegen … mein Gott, dachte er, was passiert hier eigentlich?
Abraham gab Markowitz seine Visitenkarte mit der Durchwahl seines Büros.
»Wenn Ihnen doch noch etwas einfällt, dann melden Sie sich.« Markowitz steckte die Karte ein. Abraham verabschiedete sich von der jungen Frau. Er wiederholte noch einmal sein Angebot, sie in einem Frauenhaus unterzubringen, aber sie lehnte erneut ab.
Ihre Entscheidung.
Die Tür schlug zu, und damit war er endlich den Bullen los. Markowitz’ Kopf drehte sich, ihm war speiübel. Ausnahmsweise einmal nicht vom Saufen.
Er hatte dem Bullen nicht alles gesagt.
Bei weitem nicht alles.
Der Kerl mit der Basecap war beileibe kein Fremder für ihn. Markowitz war ihm begegnet – nicht nur im Park. Er hatte ihn in Eddas Wohnung gesehen. Ja, er war ihnen damals gefolgt. Der Kerl hatte ihm geöffnet – als wäre dies das Selbstverständlichste auf der Welt.
Ganz der Herr im Haus.
Hatte ihn dabei mit seinen Augen fixiert.
Diese Augen vergisst man nicht.
Auch Markowitz hatte sie nicht vergessen – und mit ihnen diesen abgründigen Blick, der sich wie ein Eiszapfen in ihn bohrte. Er verstand nicht, warum Edda diesem Mann fast hörig war – denn genauso benahm sie sich. Sie sah schlecht aus, noch schlechter als während ihrer Ehe, er erschrak so sehr über ihr Erscheinungsbild, weil er sie jetzt wieder von nahem sah, dass ihm schlecht wurde. Nur ihrem neuen Kerl schien ihr schlechter Allgemeinzustand nichts auszumachen – im Gegenteil.
Nun, war es nicht ihr Leben?
Und was tat er hier überhaupt? Er war sie los, sie ging ihn nichts mehr an. Er war hier fehl am Platze. Nur dieser Kerl … irgendetwas an dem war falsch. Wenn er mit Edda sprach, und es waren nur wenige Worte, dann veränderten sich seine Augen. Als betätigte jemand einen Lichtschalter in einer dunklen Gruft, die gleich darauf von einem dunklen Leuchten erfüllt war. Bleib von dem Kerl weg, Edda, dachte er, aber er sagte es ihr nicht; hätte sie denn auf ihn gehört? Natürlich nicht, für sie war er eine abgeschlossene Sache.
Ihr neuer Freund, Lebensgefährte, was eigentlich?, besorgte drei Flaschen Bier und überredete Edda, gemeinsam einen zu heben. Zum ersten Mal hatte Markowitz keine Lust zu trinken, tat es aber trotzdem, zwang sich regelrecht jeden Schluck ein. Beobachtet von dem anderen, der lässig in der Tür
Weitere Kostenlose Bücher