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Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht der Toten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cyrus Darbandi
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ihm verabschiedet, inklusive Türknallen, und insgesamt gesehen trudelte er seit vielen Jahren schon dem Boden entgegen. Nur dass er jetzt einen noch schwächeren Partner unter seinen lahmarschigen Flügeln trug. Alles entglitt ihm auf übelste Weise, und mitten aus diesem Chaos streckte ihm der Teufel seine geschwärzte Klaue hin.
    Und wieder einmal schlug Mevissen blind und blöde ein.
    Im Traum erinnerte er sich an den Rest ihres Gespräches im Döner-Imbiss.
    »Nein«, sagte Mevissen, »das geht nicht. Nicht mit ihr.«
    Beck lachte. »Warum nicht. Sie ist perfekt. Wir werden sie ein bisschen herrichten müssen. Aber alleine ihr Gesicht ist eine Wucht. Die alten Knacker werden auf sie fliegen.«
    »Du weißt nicht, was ihr alles geschehen ist. Sie kann das nicht.«
    »Wieso fragst du sie nicht erst mal?«
    Becks Augen. Sein Blick wie ein Natternnest, strudelndes Schwarz, Finsternis ohne Licht, die Seitenstraßen, dachte er, die düsteren, verzweifelten Sackgassen, die alten vergeudeten Tage, und dann war er in ihm, eine kalte Sonde, ein Eiszapfen, arktischer Winter, ein endloser Sturz.
    »Weil sie ja sagen würde.«
    Wegen ihm. Wegen ihnen. Weil es eine Möglichkeit war. Weil sie ihm vertraute und darauf baute, dass er sie beschützte.
    Aber er hatte schon einmal versagt.
    In Amsterdam.
    »Ich sehe in der Sache kein großes Risiko«, sagte Beck. »Sie bändelt mit den Typen an und lässt sich abschleppen. Dann verabreicht sie ihnen K. o.-Tropfen, die Kerle legen sich schlafen, sie öffnet uns die Türen, und wir nehmen ihre Wohnungen aus. Dann hauen wir ab. Das ziehen wir ein halbes Dutzend Mal durch und versorgen dich und dein Mädchen mit frischem Geld. Vergiss nicht, du hast dich gemeldet, Alter, du, weil du meine Hilfe brauchst.«
    Beck lehnte sich genüsslich zurück. »Es sei denn, du verfügst über andere Alternativen, um an Geld zu kommen.«
    »Scheiße, nein«, kam es aus Mevissens leerem Gesicht.
    »Wohl wahr.«
    Am nächsten Morgen redete Mevissen alleine mit Polly. Beck trieb sich irgendwo herum, ließ sie in Ruhe, hatte Mevissenaber klargemacht, dass er noch heute eine Antwort brauchte. Sie saßen am Küchentisch und rührten in ihrem dünnen Kaffee herum. Je öfter er sie ansah, desto mehr wuchs seine Liebe zu ihr und das, was er von ihr verlangte, diese Unmöglichkeit des Herzens, dieser Verrat, weil er ihr zumutete, was er selbst nicht fertigbrachte – sie aus dieser Lage zu bringen –, machte ihn fertig. Und so saß er da und stocherte nach den richtigen Worten. Er hätte sich keine große Mühe zu geben brauchen, denn Polly hörte zuerst nur mit halbem Herzen zu. Vielmehr beschäftigte sie die letzte Nacht, von der sie Mevissen nichts erzählt hatte. Von dem, was sie in der oberen Wohnung gehört hatte. Diesen Schrei. Den Todesschrei einer Frau.
    Das war kein Traum, ich habe nicht geträumt, auch wenn es sich so anfühlte, ES WAR KEIN TRAUM.
    »Ich weiß, was ich von dir verlange … und wenn du nein sagst, ist das in Ordnung.«
    »Für ihn auch?«
    Beck. Der Mann in der oberen, angeblich leeren Wohnung. Der Mann mit dem Schrei. Der was tat, der wovon lebte?, der Kerl mit dem falschen Ausdruck im Gesicht, der Falsche, der Andere; Beck, der wie ein Satellit um Mevissen kreiste, um ihn herumspukte und vielleicht auch längst schon in ihm, der auf ihn einredete mit einem falschen Lächeln, das kein Lächeln war, sondern das hinterhältige Zucken unter der Maske, Beck, der wie eine schwarze ölige Flüssigkeit in ihren Geliebten eindrang.
    Mevissen zögerte eine Sekunde zu lange, als er sagte:
    »Ja, klar.«
    Da wusste sie, dass er am Haken hing. Deswegen war er hierhergekommen. Um eine harte Hand in seinem Genick zu spüren, unsichtbare Krallen in seiner Haut, das heiße Flüstern eines Gebieters.
    »Was dann?«, fragte sie.
    »Wie was dann?«
    »Wie wird es weitergehen?«
    »Na, irgendwie.«
    »Wie irgendwie?«
    Sie sah, wie nervös er wurde. Sie stellte ihm Fragen, auf die er keine Antworten wusste. Es war Beck, der jetzt die Antworten vorgab.
    »Ich finde irgendwas«, sagte er schlapp und mutlos. Er kratzte sich wie verrückt, schon seit Tagen, manchmal bis es blutete, überall auf seiner Haut sah es verwüstet und schorfig aus. Es lag an all dem Zeug in seinem Blut und auf seiner Seele; wer wüsste das nicht besser als sie selbst.
    Was, fragte sie sich dann, eine normale Arbeit, eine alltägliche Beschäftigung, meinte er so etwas? Ein normales Leben? Sie versuchte ihn sich in einer Fabrik

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