Das Licht der Toten: Roman (German Edition)
FÜRCHTERLICHENORT , an den es ihn hinzog, um dort auf seine Strafe zu warten. AN DIESEM FÜRCHTERLICHEN ORT warteten im Dunkeln die Monster auf das Kind, das von seiner MUTTER dorthin gezerrt wurde, das Kind schrie und bettelte und biss und kratzte und kämpfte; und das alles endete, als es in den RAUM geworfen wurde, ins Finstere hinein, und die Tür hinter ihm zuschlug. In der undurchdringlichen Schwärze hörte das Kind die Monster schwer atmen. Und es hörte noch mehr, weil seine Sinne durch die entsetzliche ANGST geschärft waren wie ein Schwert, das es nicht bei sich hatte, um sich zu verteidigen, hörte, wie sich Gürtelschnallen lösten, Reißverschlüsse öffneten, roch den sauren Alkoholgeschmack in den Mündern, die sich auf seinen drückten, während grobe, brutale Hände ihm die Hosen auszogen und ihn bäuchlings auf den Tisch zwangen und seine Hände fesselten.
Das Kind schrie, aber nicht sehr lange.
Beck erwachte mit dem vertrauten Geräusch seines aufgehetzten, aufgeblähten Magens, er schlüpfte aus seinem Bett und huschte über den dunklen Flur zur Tür und war schon draußen und eine Etage höher, wo er mit seinem Spezialschlüssel die Wohnung aufschloss, in der die alte, verrückte Frau gehaust hatte, die inzwischen – von der Welt vergessen, dement, verwahrlost, erledigt – in ein Pflegeheim abgeschoben war, er schaffte es jetzt gerade noch ins Zimmer und streifte seine Hosen runter, und ein Strahl konzentrierter Scheiße spritzte auf den Boden und vermischte sich mit den bereits eingetrockneten Exkrementen alter Tage.
Er fühlte sich sofort erleichtert, schmutzig, ja, aber in erster Linie zufrieden, weil er sein GESCHÄFT erledigt hatte und seine Wohnung sauber blieb.
Kein Grund für Schläge, Mutter, dachte er, heute nicht, siehst du, ich halte mein Zeugs SAUBER.
Der Gestank war überwältigend hier drinnen, alle Fensterwaren verschlossen, zum Teil, wo das Glas beschädigt war, mit Brettern vernagelt und seit Wochen nicht mehr geöffnet worden, damit das Odeur nicht flöten ging, wie er fast beschwingt dachte.
Schade, dass er diese Wohnung hier ebenso wie seine eigene bald aufgeben musste – es gefiel ihm, das ganze Haus für sich zu haben und es langsam in ein Universum aus Scheiße und Angst zu transformieren; nun, es ging nicht anders, er brauchte ein neues Refugium, aber er hinterließ auf jeden Fall seine spezielle Duftmarke.
Der Traum hatte ihn ordentlich zum Entladen gebracht, die Angst, den Terror, dem er darin ausgesetzt war.
Er stieg aus seiner Unterhose, zog auch sein Unterhemd aus und stand nackt in der brüllend stinkenden Dunkelheit. Er machte kein Licht an, der Strom war ohnehin abgestellt, er orientierte sich wie eine Fledermaus an dem Schall der eingefrorenen Schreie, die aus dem alten Wandschrank zu ihm rüberdrangen.
Wo er gerade schon hier war und so aufgewühlt und gleichzeitig entleert, gönnte er sich ein wenig Spaß und holte eine seiner Kassetten hervor. Sie stammte aus dem Kassettenrekorder direkt neben seiner Sammlung, seiner Best-of ’s. Mit MP3-Playern oder iPods konnte er nichts anfangen – Kassetten waren the real deal, und er war in vielerlei Hinsicht ein analoger Mann. In der Dunkelheit fanden seine Finger, die nach Scheiße rochen (er konnte nicht widerstehen und schleckte sie ab, jetzt waren sie SAUBER, und der SCHMUTZ lag auf seiner DRECKIGEN Zunge, aber das war in Ordnung, schließlich hatte man ihm immer schon ein DRECKIGES, LOSES Mundwerk attestiert, in den Heimen und Anstalten, an all diesen stumpfsinnigen, grauen Orten, die er sich rückblickend nur brennend mitsamt Mann und Maus vorstellen konnte), eine der Kassetten und setzten sie in den Rekorder ein.
Er drückte auf PLAY.
Eine Stimme kroch durch die Finsternis zu ihm. Es war die Stimme einer Frau, die es nicht mehr gab. Sie verrottete in der Hölle ebenso wie all die anderen Stimmen auf den anderen Kassetten seiner Sammlung. Beck setzte sich auf den Boden, wurde schmutzig, DRECKIGES KLEINES HÜNDCHEN, und lauschte mit gespitzten Ohren …
Eine Hand legte sich auf Pollys Gesicht. Sie würgte und strampelte und … es war ihre eigene Hand, die sie erschreckt hatte. Mein Gott, dachte sie und zitterte am ganzen Leib. Sie drehte sich umständlich in ihrem Schlafsack und berührte Mevissen, der tief und fest in seinem schlief. Ihre Blase brannte, und sie musste sich erleichtern, also packte sie sich aus dem Schlafsack und tastete sich zum Badezimmer vor. Sie machte das Licht an, pisste,
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