Das Licht der Toten: Roman (German Edition)
so weit war, gab es nichts, was ihn runterkochen konnte, außer loszulegen.
Und als ahnten die beiden es, vermieden sie es, ihn allzu lang in ihrem Rücken zu haben.
KAPITEL
ZWEIUNDDREISSIG
Robert zog die Schlüsselkarte durch den Schlitz und betrat sein Hotelzimmer. Er hatte die Nacht bei Selina verbracht, sie hatten geredet, vor allem über sie, und miteinander geschlafen.Selina schlief noch, als er sich anzog und sie verließ. Es gab so viele Dinge, über die er ernsthaft nachdenken musste. Ernsthaft in einer Art und Weise, die über Leben und Tod entschied.
In Gedanken versunken – und erst als er seinen zerstreuten Blick hob, bemerkte er, dass er nicht alleine war. Da war eine Bewegung hinter ihm, und dann explodierte ein Schmerz in seiner rechten Seite und Robert ging zu Boden. Einen Moment lang war alles schwarz. Eine Zeitlang war er unfähig, auch nur ein Wort herauszubringen.
Die beiden anderen Männer, die während seiner Abwesenheit in sein Zimmer eingedrungen waren, sahen zu, wie der große, schwere Mann vor ihnen versuchte, wieder klarzukommen.
Arschawin hatte es sich auf seinem Bett gemütlich gemacht. Auf dem Stuhl am Fenster saß die gedrungene Gestalt eines älteren Mannes. Dessen Augen schnappten regelrecht nach Robert wie ein Haifisch nach seiner Beute. Und genauso kalt und tot waren diese Augen.
»Hallo, mein Freund«, begann Arschawin und machte Anstalten aufzustehen, um mit Robert auf Augenhöhe zu sprechen.
»Bleib sitzen und halt dein Maul«, zischte der ältere Mann. Arschawin sah ihn an und der Anflug eines überlegenen selbstsicheren Grinsens verschwand so schnell aus seinem Gesicht wie eine Exfrau mit der Kreditkarte. Jetzt wusste Robert, wer hier das Sagen hatte. Der Alte strahlte eine natürliche Autorität aus – die professionelle Ruhe des Schlächters.
Drei Männer in einem Raum, der angesichts ihrer Gegenwart immer kleiner wurde. Gewalt lag in der Luft, ein elektrisch aufgeladenes Flimmern, ein Hitzeschwall trotz der Kälte, die der Ältere verströmte.
Das ist also der Eismann, dachte Robert und sein Magen wurde hart wie Stein.
»Wo ist Mikosch?«, fragte der Killer. Sein Deutsch war schlecht, aber verständlich.
»Ich bin ihm noch nicht begegnet«, sagte Robert. Der Schmerz pulsierte wie ein Lebewesen in ihm.
»Warum nicht?«
»Er ist mir noch nicht über den Weg gelaufen.«
»Aber du schläfst mit seiner Tochter?«
»Na und«, platzte es aus Robert heraus. Plötzlich merkte er, wie wütend er wurde, weil dieser Blutsäufer anscheinend im Bilde über ihn und Selina war. Robert schoss einen hasserfüllten Blick auf Arschawin ab, der sich zu einem Grinsen quälte, immer noch frustriert wegen seiner brüsken Herabsetzung.
»Hören Sie«, sagte Robert, »das hier war nicht nötig … und was Mikosch angeht, so schnell geht das nicht, ich habe …«
Tatsächlich verstand er rein gar nichts. Sie alle hier arbeiteten für Nagy – technisch gesehen waren sie Verbündete, oder? Aber natürlich hatte er nichts mit diesen Gestalten hier gemeinsam, nicht wahr? Er war nicht der Mann fürs Grobe, er war nur der Typ, der sich in die Tochter eines Mannes verliebt hatte, den er diesen Wahnsinnigen hier ausliefern sollte. Zum ersten Mal verstand Robert einiges. Zum Beispiel, was so ein plötzlicher Ausbruch von Gewalt bewirken konnte.
Angst. Ja, Angst.
»Ja«, sagte der Russe. »Das war nicht nötig. Du würdest uns ja auch nicht belügen.«
Er beugte sich zu Robert vor.
»Du lügst mich doch nicht an, oder?«
Robert schüttelte den Kopf und zwang sich, den Mistkerl anzusehen und standzuhalten. Der Blick des Russen bohrte sich wie ein Messer in seinen Kopf.
»Ich bin an der Frau dran«, sagte er, »aber ich kann Mikosch nicht herbeizaubern …«
»Die Frau weiß, wo er ist?«, fragte der Killer.
Robert schüttelte den Kopf. Er log, und er betete, dass derKiller nicht in seinen Augen las. Der Killer kratzte sich am Kinn und dachte nach.
»Vielleicht frage ich sie selbst …«
»So war das aber nicht geplant«, sagte Robert und verfluchte Nagy. Von wegen Florett, dachte er. Wenn diese beiden Mistkerle loslegten, dann in der Art einer verfluchten Kettensäge.
»Nagy will es aber nicht auf diese Tour«, sagte Robert.
»Nagy will sein Geld und er will den Dieb, und alles, was dazu nötig ist, wird veranlasst«, sagte Arschawin.
Robert ging aufs Ganze. Er sagte: »Dann kann ich ja auch wieder gehen. Wenn es nach Ihren Spielregeln läuft, bin ich hier fehl am Platze.« Ihm
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