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Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht der Toten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cyrus Darbandi
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aufgeschreckt, mehr noch: ihn beschämt. Und das war ein Gefühl, das er in dieser Intensität schon lange nicht mehr gespürt hatte.
    Er suchte nach der Nadel im Heu, nein, im Scheißhaufen, später dachte er dann, dass die Nadel stattdessen ihn gefunden hatte. Er quälte sich schon eine Stunde lang durch die bekannte Topografie, weiß Gott, es war nicht leicht, die vertrauten Schauplätze ihrer Kämpfe wieder aufzusuchen. Jetzt, im Winter sahen sie noch trostloser aus; Kioske, Trinkhallen, Parkbänke, Unterführungen, die immer gleichen Wege, die sie zusammen beschritten hatten, so lange aneinandergekettet wie Galeerensträflinge, bis es Markowitz gelang, seine zu lösen. Sie zu verlassen, umsich selbst zu retten. Zu retten? Sieh dich doch an. Gerettet? Du? Du bist ein elender Säufer, ein Versager, schlägst eine junge Frau, die tatsächlich etwas für dich empfindet. Herrgott, was ist aus dir geworden? Zu kalt für Selbstmitleid, dachte er, viel zu kalt.
    Er war entsetzlich müde. Er trottete den ganzen Weg zurück, und auf halber Strecke, als er den anderen Kerl beinahe wieder vergessen hatte, sah er ihn aus einem Wettbüro kommen. Irgendwie schaffte es Markowitz, seinen Körper hinter ein Werbeplakat für eine Automarke zu drücken, bevor der andere ihn wahrnahm.
    Das war er, das war der Typ aus Eddas Wohnung.
    Markowitz klemmte sich hinter ihn, folgte ihm in gebührendem Abstand, von neuer Energie erfüllt.
    Je länger sie unterwegs waren, desto leerer wurden die Straßen. Die Menschen flohen in ihre Wohnungen oder zumindest in irgendwelche Hauseingänge, in Geschäfte, Straßenbahnen, die U-Bahn, Autos.
    Die Stadt schien sich nur noch auf sie beide zu reduzieren.
    Und plötzlich war der Kerl verschwunden.
    Markowitz hatte einen Moment lang nicht aufgepasst.
    Er hielt inne und blickte sich hilflos um.
    Geschlagen.
    Immerhin kannst du jetzt zurück zu Co Bao gehen, dachte er, du hast es versucht, immerhin, du hast es versucht, und vielleicht ergab sich morgen eine neue Gelegenheit. Denn eines war ihm klar: Der andere war wieder auf der Suche, und solange er suchte, war er auf der Straße und klapperte all die Orte ab, die auch Markowitz vertraut waren.
    Markowitz musste dringend pissen und fand eine geeignete Stelle hinter dem Parkplatz eines PENNY-Discounters, einigermaßen verborgen zwischen einem Maschendrahtzaun und Müllcontainern. Sein Herz schlug so heftig wie schon lange nicht mehr, und sein Puls galoppierte mehr, als ihm guttat. SeineBlase war zum Bersten gefüllt, und weil er nicht in der Lage war, schnell genug den gefrorenen Reißverschluss zu öffnen, streifte er seine Hose einfach ab und stand mit nacktem Arsch im kalten Wind, als –
    »Suchst du nach mir, Freundchen?«
    Die Stimme schien hinter ihm aus dem Boden zu steigen, so grabesdunkel hörte sie sich an. Markowitz hatte seinen Schwanz in der Hand, und genauso fühlte er sich auch – buchstäblich mit heruntergelassenen Hosen erwischt.
    »Bitte«, sagte er.
    »Häh, bitte was? Sieh mich an, du alter Pisser.«
    Und die vertraute Stimme befahl ihm, sich umzudrehen.
    »Lass deine Hände schön baumeln, die Hose unten, so gefällst du mir schon viel besser«, machte die Stimme weiter, so clever wie demütigend, weil Markowitz dadurch weder zu fliehen noch zu kämpfen vermochte. Seine Hose um die Knöchel geschlungen, erwies sich als Falle und Verhängnis. Markowitz fühlte sich ausgeliefert und hatte große Angst. Jeglicher Enthusiasmus war verflogen. Er verfluchte sich dafür, dem Kerl gefolgt, ja ihn überhaupt gesucht zu haben.
    Er drehte sich um und wappnete sich, und endlich erhielt die Stimme ein dazugehöriges Gesicht.
    Ja, jetzt hatte er die Bestätigung, von Angesicht zu Angesicht, dass es derselbe Kerl war, der ihn in Eddas Wohnung so gedemütigt hatte. Dieselben finsteren, toten Augen.
    Die Kälte attackierte augenblicklich seinen schlaffen Schwanz und seine baumelnden Eiern, und der damit verbundene Schmerz trieb ihm Tränen in die Augen.
    »Na, na, du weinst doch nicht etwa wegen mir? Oder sind das Freudentränen, weil wir uns wiedersehen?«
    »Ich muss meine Hose hochziehen«, murmelte Markowitz. »Ist zu kalt.«
    »Lass deine Pfoten von der Hose, Pisser, oder ich breche sie dir.«
    »Mir gefrieren die Eier, Kumpel«, versuchte es Markowitz noch einmal.
    »Wen interessiert schon, wenn deine Eier kaltgestellt werden. Deine Ex doch nicht mehr, oder? Wie geht’s ihr übrigens, hab sie lange nicht mehr gesehen.«
    Markowitz stöhnte,

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