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Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht der Toten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cyrus Darbandi
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ein leckgeschlagenes Wrack (und mehr war er zu dieser Zeit auch nicht).
    Der Eismann erinnerte ihn daran, dass er sich in der Armee Fähigkeiten erworben hatte. Dass es Leute da draußen gab, die auf der Suche nach ihm waren. Nach Killern wie ihm.
    »Zeit, dass du das akzeptierst, mein Junge. Zeit, dass du UNS akzeptierst. Zeit, dass wir beide uns daranmachen, das zu tun, was wir am besten können.«
    Ja, es war an der Zeit.
    Also gab er nach (als hätte er je eine Wahl gehabt) und ließ sich finden. Zwei Männer mit grauen Gesichtern und schwarzen Biografien erschienen wie Höllenboten in seinem Zimmer. Wie sich herausstellte, wussten sie alles über ihn.
    Zwei Tage später tötete er das erste Mal für Geld. Einen jungen Familienvater mit Schulden bei den falschen Leuten. Mit dem Geld ließ er sich bei einem Zahnarzt ein erstes notdürftiges Gebiss anfertigen. Die Armee hatte dafür leider kein Geld übrig gehabt. Seine Fuß- und Fingernägel wuchsen langsam nach. Die Farbe seines malträtierten Körpers, schwarz-blaue, violett-gelbe Quader und Risse, verblassten mit der Zeit.
    Eine Woche später kehrte er zu Larissa zurück.
    Und mit ihm ein ruchloser Mörder, verborgen in den kalten Hallen seiner Persönlichkeit, die ihm nicht mehr alleine gehörten.
    Grischa hielt seinen brummenden Schädel unter den Wasserhahn. Er hatte schon lange nicht mehr unter solch heftigen Kopfschmerzen gelitten, ein Gruß aus der Vergangenheit. Er fühlte sich schwach und krank, als hätte ihm jemand eine Ladung Grippeviren injiziert. Schleppte sich vom Tisch zu seinem Bett zurück und dachte an Larissa.
    Er hatte nie zugelassen, dass der Eismann ihr zu nahe kam. Aber Larissa war eine sensible, sensitive Frau. Als er endlich zu ihr zurückkehrte, umarmte sie ihn wortlos in der Tür und drückte ihn an sich, und nach einiger Zeit, in der sie einfach zusammenstanden, in der beruhigenden Gegenwart des jeweils anderen, sagte sie: »Wo warst du nur so lange, mein Schatz. Du bist so kalt.«
    Grischa kroch unter die Decke. Der Schlaf kam wie auf Zehenspitzen zu ihm – und mit ihm nach so vielen finster leeren Nächten endlich auch wieder Larissa.
    Ihr Körper war in seinen Träumen vom Krebs weder besiegt noch zerstört, die Zeit hatte einen Bogen um ihre makellose Gestalt geschlagen. Sie nahm sein Gesicht in ihre warmen, weichen Hände.
    »Ich bin müde«, sagte er.
    »Ich weiß, mein Liebling, aber du musst noch etwas durchhalten.«
    »So schwer«, murmelte er. »Und es wird nicht einfach … ohne dich gibt es keine einfachen Tage mehr …«
    »Aber wir sind schon bald wieder zusammen, Grischa. Nur wir beide. Ohne ihn. Ohne den anderen, denn er hat keine Bedeutung mehr.«
    (Der Eismann regte sich in ihm und trommelte wütend gegen seinen Kopf. »WAS REDET DIESE SCHLAMPE DA? ICH BIN EIN TEIL VON DIR, MEIN JUNGE, UND ZWAR DER, DER DEINEN ARSCH GERETTET HAT.«)
    Grischa stöhnte im Schlaf wie ein Tier.
    Lass mich tot sein, dachte er jetzt, lass mich so tot sein wie meine Frau und wie die Menschen, die ich getötet habe. Es war nicht gerecht, dass er am Leben war, während Larissa auf der anderen Seite von was auch immer trieb. Nicht der Tod, dem der so viele Jahre lang gedient hatte, machte ihm Angst.
    Es war das Leben, vor dem er sich fürchtete, die endlosen, ausgehöhlten, krummen Jahre, die noch auf ihn warteten und mit ihnen der Terror der Sehnsucht nach jemandem, der ihm geraubt worden war.
    »Es tut mir so weh, zu sehen, wie du dich quälst, Liebster«, sagte Larissa.
    »Aber wie kannst du Schmerz empfinden, wenn du tot bist?«, fragte er.
    »So wie ich Liebe und Freude empfinde, Hoffnung und Frieden und ja, auch Schmerz und Leid. Nichts davon endet. Wir enden nicht, Grischa. Wir existieren nur in einer anderen Form weiter. Wir hören nicht auf.«
    Diese Worte, im Traum gewispert, beruhigten ihn, denn es gab keinen Grund, ihnen zu misstrauen, kamen sie doch aus dem unversehrten Mund seiner Geliebten.
    »Erzähl mir von dem Licht«, sagte er, während er sich in ihre Arme begab.
    »Du wirst es sehen, wenn du bei mir bist.«
    Bald, bald.

KAPITEL
EINUNDDREISSIG
    Polly starrte auf den bewusstlosen Mann mit dem Gesicht ihres Vaters. Sie drehte sich um und eilte ins Badezimmer. Mevissen hörte, wie sie sich übergab.
    Beck sagte: »Sie soll bloß sauber machen, deine kleine Freundin, Doc, wozu tragen wir Handschuhe und sind echt vorsichtig, wenn dein Mädchen Mist baut.«
    »Lass sie in Ruhe«, sagte Mevissen und lief ihr hinterher.
    O, Doc,

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