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Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht der Toten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cyrus Darbandi
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weil der Kerl Edda erwähnte – und weil er untenrum bereits taub wurde. Seine steifen Finger fummelten an seiner Unterhose, wenigstens die, dachte er, wenigstens …
    »Ich sagte: Pfoten weg.«
    Ein bösartig widerliches Zischen ließ Markowitz gehorchen. Nein, dieser Stimme widersprach man nicht.
    Er blinzelte hektisch dabei und versuchte irgendjemanden auf sich aufmerksam zu machen. Leider war der Parkplatz bis auf drei, vier verlassene Autos leer, und die wenigen Menschen, die einkauften, sahen zu, dass sie so schnell wie möglich ins warme Innere des Ladens kamen. Niemand interessierte sich für die zwei Gestalten in der Ecke. Beck betrachtete Markowitz’ Schwanz und Eier und grinste. Dieser Anblick war so verstörend, dass Markowitz zu Boden blickte, weil ihm sonst das Herz stehengeblieben wäre. Er zitterte unkontrolliert am ganzen Körper, und die Kälte war nur teilweise der Grund.
    O Gott, dachte er. Er verfluchte jetzt, dass er ein Säufer war und in den letzten Jahren rapide abgebaut hatte. Sein Körper war in einem elenden Zustand. Er fühlte sich wehrlos und schwach, kein Gegner für so einen Kerl. Und als sich dieser Gedanke in ihm breitmachte wie sonst nur der Alkohol, da hatte er sogar eine Art Erleuchtung: da begriff er, was er Co Bao angetan hatte.
    Verzeih mir, dachte er, von einer dunklen Vorahnung ergriffen, so als offenbarte sich ihm die Stunde seines Todes.
    »Die Finger erfrieren meistens zuerst«, sagte Beck, »kleine von dünner Haut umgebene Blutgefäße, erst Finger, dann Zehen, werden ganz schwarz und fallen dann ab, aber ich fragemich immer, wie’s die Kumpels da unten aushalten, wenn sie im nackten Wind stehen. Also, DAS würde mich wirklich mal interessieren. Aber dafür müsste es wirklich kalt sein, ich glaube, hier reicht’s nur für ne nette Blasenentzündung … es sei denn, jemand packt deine Freunde in Wasser und lässt sie die Nacht draußen verbringen.«
    Markowitz schloss die Augen, überlegte, ob er um Hilfe rufen sollte. Mehr als einen Schrei bringst du nicht raus, dachte er, denn mehr als einen wird er nicht zulassen.
    Wenn überhaupt.
    »Schlaf nicht ein und sieh mich an, wenn ich mit dir rede, Pisser. Alles andere ist respektlos.«
    Beck jauchzte innerlich. Er freute sich wie ein Geier, der unverhofft einen Kadaver entdeckt. Seine Paranoia hatte sich zur Abwechslung mal als real erwiesen – dieses zitternde Bündel Elend vor ihm war KEINE EINBILDUNG, kein Auge am Himmel oder im Schatten, wo es ihn blutrot anstarrte und dabei niemals blinzelte, das Auge des VERFOLGERS. Der VERFOLGER agierte im Unsichtbaren, er zeigte sich nicht bis auf die Zeichen seiner Entität – einem konzentrierten Block aus Wahnsinn, Chaos und Depression. Dieser massive stählerne Block torpedierte zunehmend seine immer komplexeren Versuche, die fragile Balance in sich aufrechtzuerhalten. Das, was ihn davon trennte, nackt und brüllend, axt- und messerschwingend durch die Straßen zu rennen und dabei alles und jeden in seinem Weg, egal, ob Frau, Greis oder Kind, niederzumetzeln.
    Edda, dachte er, Edda, du hast mir nie dafür gedankt, dass ich dich von deinem Elend hier erlöst habe. Denn natürlich wäre sie wieder zu ihm zurückgekehrt … zurück in den Suff, in den Dreck ihrer gemeinsamen nutzlosen Existenz … er hatte diese Fotze von ihrem verbrauchten, ausgelaugten Körper befreit, endlich konnte ihr Fleisch in Ruhe verrotten. Die anderen Elemente ihrer Existenz abseits des Fleisches interessiertenihn genauso wenig wie ein nächtlicher Furz, der unter der Bettdecke bleibt.
    »Bitte lassen Sie mich gehen.«
    Das »Bitte« gefiel ihm ungemein. Es hatte so etwas Verzweifeltes an sich. Er hatte so ein »Bitte« schon oft gehört und es sogar aufgezeichnet – im Moment des größten Terrors veränderte sich die Art, wie es ausgesprochen wurde, flehentlich, unterwürfig, genauso wie sich der Ausdruck auf den Gesichtern der Fotzen veränderte, sich von einem ungläubigen Flüstern bis hin zu einem Kreischen und Schreien steigerte, nur um dann mitsamt dem Körper unter seinen Händen unterzugehen.
    Beck hatte schon entschieden, den Pisser zu entsorgen, aber nicht hier und nicht jetzt. Etwas fehlte ihm. Er hätte ihn zwar erwürgen, den Kehlkopf zertrümmern, die Halsschlagader aufbeißen können, doch er dachte nur an das gestohlene Küchenmesser mit den Fingerabdrücken des alten Lutschers von heute Morgen.
    Dieses Messer, das er in seiner geheimen Kammer versteckt hatte, tanzte neckisch in

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