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Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht der Toten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cyrus Darbandi
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aufgewühlt und ein wenig orientierungslos. Am liebsten wäre er durch die Stadt gefahren, da war der Wunsch, die alten Orte aufzusuchen, an denen er früher mit Robert abgehangen hatte. Der Zeit nachzuspüren, sie zu schmecken, zu riechen, sich zurückfallen zu lassen, um erneut seine beschützende Nähe zu spüren. Aber dann entschied er sich aufgrund der schlechten Witterung dagegen, außerdem war er wirklich müde, emotional erschöpft. Nachher begann sein Dienst, er kehrte zurück, ein Streifenwagen stand vor der Tür des Mietshauses, in der seine Wohnung lag.
    Einer der Beamten klärte ihn auf: Der Mieter aus dem Parterre, Nils Klausner, ein pensionierter Lehrer, war ausgeraubt worden, nachdem man ihm K.-o.-Tropfen verabreicht hatte. Die Wohnung war komplett auf den Kopf gestellt worden, Schubladen, Schränke waren durchwühlt und Wertsachen, Schmuck seiner verstorbenen Frau, teure Uhren und Bargeld gestohlen worden. Dem Mann ging es den Umständen entsprechend, er wurde vom Notarzt versorgt und würde im Krankenhaus gründlich untersucht werden.
    »Vielleicht wollen Sie ihn noch etwas fragen«, sagte der junge Beamte, so alt wie Abraham vor langer Zeit und genauso unsicher, verletzlich, berührbar.
    »Sie wissen, wo ich arbeite?«
    »Äh ja, Mordkommission.«
    »Tja, wenn er noch lebt, bin ich nicht für ihn zuständig.«
    Der Beamte sah ihn aus großen Augen an und nickte. Abraham grinste und schlug ihm auf die Schulter.
    Er begrüßte die Kollegen vom Einbruchsdezernat, sie tauschten kurz allgemeine Nettigkeiten aus, und Abraham versicherte ihnen, dass er sich als Nachbar um Klausner kümmerte undnicht als Polizist, denn dies hier war nicht sein Spielfeld. Klausner lag bereits auf einer Trage, es ging ihm nicht gut, ob von den Nachwirkungen des Liquid Ecstasy oder der Demütigung und dem Verlust nicht nur seiner Wertgegenstände, ließ sich nicht so einfach unterscheiden. Klausner hatte eine junge Frau mit in seine Wohnung genommen, sie hatten Wein getrunken, den Rest konnte sich Abraham denken. Klausner, von dem es im Haus hieß, er sei seit sechs Jahren verwitwet und alleine, tat ihm leid.
    »Natürlich wusste sie nicht, dass ich mit einem Kommissar unter einem Dach wohne«, sagte er. »Dann hätte sie diesen Mist nicht gemacht.«
    »Wer weiß«, sagte Abraham, »wenn sie das professionell macht, würde sie nicht mal der Teufel nebenan abschrecken. Aber vielleicht sollten wir demnächst ein Schild anbringen: ACHTUNG, BULLE IM HAUS.«
    »Ich bin nur froh, dass ich lebe«, sagte er mit bleichem Gesicht. »Was hätte sie in meinem hilflosen Zustand nicht alles mit mir machen können? Beängstigend, wenn das eigene Leben in der Hand eines Fremden liegt.«
    Zurück in seiner Wohnung, duschte Abraham erst heiß und dann kalt, kochte sich Kaffee, rauchte eine Zigarette, hörte Radio und sammelte seine zerstreuten Gedanken.
    Unterbrochen von seinem Handy.
    Er wollte nicht rangehen. Nicht noch ein Mord, kein weiterer Totschlag, er wollte dem ganzen Scheiß den Rücken zukehren, weglaufen, doch wohin hätte er fliehen sollen? Selbst seine Träume waren Fallen, boten keine Fluchtwege. Man macht einfach weiter, es hilft nichts. Irgendwann endet man in einem schäbigen Hotelzimmer mit dem Lauf einer Waffe im Mund, wenn es schlecht läuft. Und wenn es gut läuft … ja, nur läuft es nicht gut.
    Ihm fiel ein, dass es vielleicht Lydia war, die ihn nach der gestrigen Nacht anrief. Plötzlich hoffte er es so sehr. Er wollte ihreStimme hören. Nur ein wenig, überlegte er, nur so viel, um ihn durch den Tag zu bringen. Ihr Eintritt in sein Leben als Gleichgewicht zu den Schrecken, denen er sich in seiner Arbeit, seiner Vergangenheit stellen musste, war überwältigend. Levy würde ihm dafür gehörig die Leviten lesen, und gleichzeitig würde er es als Freund verstehen, es zumindest nachvollziehen.
    Verurteile mich nicht, Ben, dachte er, denn dies hier musste geschehen.
    Das Handy klingelte derweil unverdrossen weiter; genauso wie ein ungelöster Mordfall ließ es ihm einfach keine Ruhe.
    Er ging ran, was blieb ihm auch anderes übrig.
    Kleber erwartete ihn schon, die Hände tief in den Taschen vergraben, finsterer Gesichtsausdruck, also war es schlimm, nur: Wann war es das mal nicht?
    Abraham sagte: »Ist es das, was ich glaube?«
    Denn natürlich hatte er als Allererstes daran gedacht: Mann tötet Frau, die er schon vorher misshandelt hat. Ein Mann mit einschlägiger Gewalterfahrung, den er erst gestern noch aufgesucht

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