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Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht der Toten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cyrus Darbandi
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Levy«, sagte Abraham. »Er hat sich in der Psychiatrie umgehört, in der Lydia behandelt wurde. Dann erfahre ich hoffentlich ein bisschen mehr über sie und vielleicht auch über ihre Mutter.«
    Doch zuvor suchte er nochmals den Tatort auf, diesmal alleine, so wie er es öfters tat, wenn er nicht weiterkam und darauf hoffte, etwas zu finden, was die anderen Kollegen übersehen haben konnten. Es ging ihm dabei nicht so sehr um weitere Spuren – die Kriminaltechnik war in dieser Hinsicht auf Zack –, sondern um den Nachhall der Tat. Tatorte konservierten manchmal monatelang den Schrecken, der sich in ihnen abgespielt hatte, Schwingungen einer bösen, manischen Energie, stumme Schreie, in der Zeit eingefroren. Abraham war für diese Dinge empfänglich – wie ein altes Radiogerät, an dem man so lange herumfummelt, Frequenzen und Sender verstellt, bis man auf ein geisterhaftes Rauschen stößt. Stimmen, die in einem elektromagnetischen Nebel wabern. Das Wispern der Dinge. Und genauso etwas hatte er auf dem Dach des Hochhauses gefühlt, hatte es gefühlt, als er Stefan Phelps’ Leiche betrachtete, und es hatte ihn auch bis zum zweiten Tatort, der Wohnung Margot Beenhakkers, begleitet. Es war ein Gefühl, das er nicht richtigbeschreiben konnte, in etwa so, als blicke dir einer über die Schulter. Du weißt, du musst dich jetzt umdrehen, doch gleichzeitig hast du große Angst davor, zu sehen, wer oder was hinter dir ist. Ein Gefühl wie beim ersten Sprung vom Zehnmeterbrett, wenn eine gehässige Stimme dir einzureden versucht, dass das Blaue unter dir nur die Illusion von Wasser ist, tatsächlich aber der harte Boden auf dich wartet, der deinen schwachen, verletzlichen Körper töten wird.
    Daher der Spruch: gelähmt vor Angst. Und das bist du: starr und panisch und willenlos.
    Doch wenn du dich dann doch endlich in Erwartung aller Schrecken umdrehst, ist da niemand.
    Abraham kam sich vor wie der letzte Mensch auf der Welt, als er durch die Korridore des Hochhauses streifte. Kein Mensch, nirgends, schon draußen auf dem Vorplatz nicht. Schnee war gefallen und hatte die letzten Spuren von Phelps’ Aufprall zugedeckt. Im Inneren war es nicht besser. Aus den Wohnungen drang kein Laut. Als hätte die erbitterte Kälte alle in eine Winterstarre versetzt. Selbst Groschek, der neugierige Nachbar von nebenan, verzichtete auf seinen Auftritt. Der Tatort war abgesperrt und noch nicht wieder freigegeben. Als Erstes fiel Abraham auf, dass der Gestank der zugemüllten Wohnung, vermischt mit dem Blutgeruch der ermordeten Frau, nicht mehr ganz so penetrant in seiner Nase stach. Der Grund war, dass die Kollegen mehrere Fenster auf Kipp gestellt hatten. Die eisige, zugige Luft tat ihr Übriges. Abraham betrat das verlassene Reich des Todes und zog die Tür hinter sich zu. Sein Herz klopfte schneller als sonst. Früher hatte er sich oft vorgestellt, wie es wohl wäre, dem Killer plötzlich wieder am Tatort zu begegnen, ganz alleine, nur er und der Mörder. Träumte nicht auch dieser von einer Rückkehr an den finsteren Ort seiner Tat? Dort, wo er noch einmal alles erleben konnte wie in einem Film, den man zurückspult. Und wie wäre es dann wohl für ihn, auf Abraham zu stoßen?
    Einen Moment lang würden sie sich anstarren wie Verlorene und sich dann im jeweils anderen wiederfinden, Jäger und Gejagter, Spiegelbilder, Doppelgänger.
    Wenn man einmal mit dem Morden anfängt und feststellt, dass es ein gutes Gefühl ist, mehr noch: dass es das ist, worauf man sich seine ganze Existenz hin zubewegt hat, Schicksal und Erfüllung und überwältigende Lust, so hatte ihm einmal ein Killer während seiner Aussage erklärt, dann hört man nicht mehr auf. Man macht so lange weiter, bis man geschnappt oder sonst wie aus dem Verkehr gezogen wird. (Bei diesen Worten dachte er automatisch an seinen Vater. Er stellte seine Erinnerung scharf, und das Gesicht eines Mannes erschien, ein ernsthaftes, intellektuelles Gesicht, anziehend, interessant, doch gleichzeitig mit dem Wissen von heute und dahinterblickend: freudlos, öde, verwirrt und verstört zwischen psychotischen Schüben, hinterhältig und verräterisch, tödlich für seine Opfer, ein scheinbar ruhender See, unter dessen Oberfläche ein unbarmherziger Sog der Gewalt und des Terrors wütet.)
    Abraham schüttelte sich und blickte sich um. Was für ein Chaos, der alte, staubige Teppich mit winzigen Glassplittern zerbrochener Spirituosen übersät, die Wände im beängstigenden Grau einer

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